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Qualitätsprobleme bei Lehrgangsträgern:
vorläufige Auswertung unseres Qualitätsexperiments

Seit einiger Zeit kann man auf der Zingelseite Lehrgangsträger beurteilen, und seit das Qualitätsformular auf der Frontseite steht, tun das auch täglich viele Leute. Was man da so mitgeteilt bekommt, läßt tiefe Einblicke zu. Auch wenn dies natürlich keine irgendwie repräsentative Erhebung ist macht es doch Sinn, die am häufigsten berichteten Probleme anzuschauen. Teilnehmer wie Bildungsveranstalter könnten hieraus etwas lernen.

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Um eines gleich vorwegzunehmen: wir kriegen fast nur Beschwerden und nur ganz selten belobigende Äußerungen. Daraus kann man natürlich nicht schließen, daß alle Bildungsträger schlecht wären, sondern nur, daß wer unzufrieden ist, viel eher über seine Unzufriedenheit zu sprechen bereit ist als daß der Zufriedene seine Zufriedenheit kommuniziert. Daß negative Mundpropaganda sich viel schneller verbreitet als positive Testimonials, ist indes weithin im QM bekannt, und bestätigt sich hier erneut.

Dennoch ist es interessant, die am häufigsten berichteten Probleme zusammenzufassen. Das kann Bildungsträgern helfen, ihre Qualität zu verbessern, und Teilnehmern, die für sie richtigen Angebote zu finden.

Probleme der Dozenten

So werden oft fachliche und menschliche Probleme der Dozenten berichtet. Lehrkräfte ohne Fachbeherrschung sind so häufig wie solche ohne Sozial- und Methodenkompetenz. Unzeitgemäße didaktische Methoden sind ebenso ein Beschwerdethema wie Dozenten, die auf Probleme hilflos reagieren oder gar ihre Teilnehmer beschimpfen. Jemand berichtete von einem Dozenten, der ein Skript einfach vorlas – anscheinend ohne es selbst zu verstehen. Selbst von Gebrüll am Lehrerpult wurde berichtet. Viele Bildungsfirmen scheinen wahllos einzustellen und keine Qualitätskontrollen durchzuführen. Und das gilt erstaunlicherweise auch für Lehrgangsträger, die nach ISO 9000 zertifiziert sind.

Schlechte Lehrmaterialien

Geradezu unglaubliche Dinge haben wir über Lehrmaterialien zu hören bekommen. Skripte in DM und aus der Vorwendezeit, der Erwachsenenbildung völlig unangepaßte Lernmethoden und jede Menge Fehler in Übungen und Prüfungen: all das sind Mängel, die man abstellen kann, aber das kostet Zeit, Geld und Willenskraft. Pädagogisch qualifizierte Dozenten sind schwer zu finden, und eine subjektive gewerberechtliche Zulassungsbeschränkung für Geschäftsführer von Bildungsfirmen, die ihre Qualifikation für eine Akkreditierung ihres Unternehmens nachweisen müssen, haben wir an dieser Stelle schon erfolglos vorgeschlagen.

Probleme der Bildungsfirmen

Viele Lehrgangsträger scheinen solche Probleme ohnehin nicht sehr zu belasten, denn zahlreiche Beschwerdeführer berichten, sie hätten sich längst form-, frist- und fruchtlos bei der Geschäftsleitung beschwert. Das ist natürlich kein befriedigendes Bild, aber es deutet möglicherweise auf mehrere für die Teilnehmer nicht immer erkennbare Probleme. So sind zum einen viele Firmen nicht gewillt und/oder nicht in der Lage, angemessene Honorare zu bezahlen. Ein Dozent, der für zehn Euro pro Stunde bei einer Bildungsfirma unterrichten oder für bis zu hundert Euro die Stunde in die Industrie gehen kann, wird nicht lange für seine Entscheidung brauchen. Zahlt eine Bildungsfirma aber wie ein Nachtwächter, dann darf sie sich nicht wundern, auch nur Nachtwächter zu bekommen.

Ein anderes Problem ist, daß viele Bildungsfirmen anscheinend nicht gut geführt werden. Das wurde am deutlichsten in einem Fall, wo die Dozenten am ersten Einsatztag nicht wußten, auf welche Prüfung sie ihre Schützlinge vorbereiten sollten: niemand hatte ihnen diese doch recht wesentliche Information mitgeteilt. Hier liegt der Verdacht nahe, daß es der Geschäftsleitung auch egal ist, was in den Seminarräumen passiert. Im beschriebenen Fall sollte allen Ernstes ein einziger Dozent zwei Klassen gleichzeitig unterrichten! Werden solche Unternehmen nur betrieben, um Fördermittel zu kassieren?

Seltsame Werbemethoden

Besonders intensiv ist aber die Reaktion auf das bekannte Qualitätsformular, das bekanntlich anonym benutzt werden kann (und soll). Etwas erstaunt war ich, als ich innerhalb weniger Minuten gleich ein Dutzend lobender Äußerungen über ein bestimmtes Unternehmen erhielt, das ansonsten eher hart kritisiert wurde. Woher auf einmal die vielen zufriedenen Absolventen? Des Rätsels Lösung fand sich in der Internet Protocol Number (IP), die den sendenden Computer jeder eMail identifiziert: die IP-Nummer aller dieser Lobeshymnen war nämlich – richtig, identisch. Wurden hier Teilnehmer klassensatzweise zu einer Werbemaßnahme mißbraucht?

Verteilung statt Markt

Insgesamt macht der Weiterbildungsmarkt aufgrund der bisherigen Ergebnisse eher den Eindruck einer Staatswirtschaft. Lehrgangsteilnehmer erscheinen vielfach als Bittsteller, obwohl sie sehr oft ihre Bildungsveranstaltungen selbst bezahlen. In solchen Situationen scheint es eine Menge Unruhe zu geben. Inwieweit dies für die Gesamtheit der Bildungsangebote aussagekräftig ist, kann aus den oben geschilderten Gründen freilich nicht geschlossen werden. Auffällig sind solche Beschwerden aber allemal. So auffällig wie der Umstand, daß wir nur sehr wenige Rückmeldungen zu Universitäten und Fachhochschulen bekommen haben. Dies könnte mit einer höheren Motivation der Lehrkräfte zusammenhängen, oder einfach mit dem Akkreditierungsmechanismus, der unseriöse Angebote wirksam fernhält.

Ratschläge für Teilnehmer

Aus diesen Ergebnissen lassen sich einige Ratschläge für Teilnehmer von Bildungsmaßnahmen ableiten, die wir hiermit allen wärmstens ans Herz legen wollen:

  1. Bestehen Sie auf ausführliches Informationsmaterial. Unterschreiben Sie keinen Vertrag, ohne sich umfassend informieren zu können. Lassen Sie sich nie zu einem Vertragschluß drängen, denn das ist ein sicheres Zeichen, daß etwas nicht stimmt.
  2. Recherchieren Sie mit diesen Informationen Ihren Lehrgangsträger, bevor Sie einen Vertrag unterzeichnen. Schauen Sie nicht nur im Unternehmensregister nach, sondern suchen Sie auch nach Äußerungen früherer Teilnehmer. Sie sind oft sehr aufschlußreich.
  3. Mißtrauen Sie insbesondere unrealistischen Werbeversprechen. Wer behauptet, alle oder fast alle Teilnehmer durch eine Prüfung zu bringen, ist jedenfalls was die IHK-Prüfungen angeht, meistens ein Lügner.
  4. Googeln Sie nach den relevanten Namen der Dozenten und der Verantwortlichen. Verwenden Sie Anführungszeichen bei der Sucheingabe, um den jeweiligen Namen exakt zu finden und ähnliche Schreibweisen auszuschließen. Geben Sie beispielsweise "Max Mustermann" (mit den Anführungszeichen) in das Suchfeld ein. Beurteilen Sie selbst, was ein Veranstalter schreibt oder was über ihn geschrieben wird.

Links zum Thema: Zingelseite | QM-Formular | Die Qualitätsmängel der Kämmerlinge: Vorschlag für Pflichtakkreditierung von Fortbildungsanbietern | Der mit dem Euro tanzt: Bildungsfinanzierung am Limit bei IHK-Teilnehmern | Bestehensquoten in IHK-Prüfungen: Nepper, Schlepper, Bauernfänger... | Schwarze Schafe: Hinweise zur Wahl der richtigen Bildungsfirma | Kleiner Beschwerderatgeber für Probleme bei Prüfungen und mit Bildungsveranstaltern | Betriebswirt oder Bewacher? Unzeitgemäße Gedanken über die Qualität der Industrie- und Handelskammern (interne Links) Unternehmensregister (externer Link)


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