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Die Qualitätsmängel der Kämmerlinge:
Vorschlag für Pflichtakkreditierung von Fortbildungsanbietern

Qualitätsanforderungen gehen oft nicht von Kunden aus, die brauchbare Produkte und Leistungen wünschen, sondern von Konkurrenten, die vor unliebsamen Wettbewerbern ihre Ruhe haben wollen. Das ist ein wesentlicher Grund, warum die meisten Qualitätsmanagementsysteme bürokratische Dokumentationsverfahren sind, aber dem Kunden nicht nützen. Das ist auch der Grund, warum die Industrie- und Handelskammern im Bereich der Aus- und Fortbildungen bisher gar kein Qualitätsmanagement zu haben scheinen, denn sie haben in ihrer Stellung als öffentliche Institutionen keine Konkurrenz.

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Dabei wäre es vergleichsweise einfach, Qualitätsstrukturen zu errichten, die wirklich auch den Kunden nutzbringend sind, nämlich den Fortbildungsteilnehmern. Deren Zertifikate werden von unseriösen Geschäftemachern beschädigt, die die Industrie- und Handelskammern ganz leicht aus dem Markt entfernen könnten. Wenn sie nur wollten.

Wirksamster Hebel wäre eine Pflichtakkreditierung mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Produktrechtschutznormen, wie sie im Bereich der Zertifizierungen von Softwareanbietern längst durchgeführt wird. Wer kein Microsoft®-Zertifikat hat, darf auch keine Software für Microsoft-Kunden entwickeln. Warum geht sowas nicht im Bereich der IHK-Fortbildungen? Beispielsweise könnten die Kammern Lehrgangsanbieter verpflichten, ein Logo zu führen, wenn sie Teilnehmer zu IHK-Prüfungen wie "Geprüfter Betriebswirt" schicken wollen. Dieses Logo wäre das auch auf dem Zeugnis ersichtliche und der Wirtschaft öffentlich bekanntgemachte Qualitätssiegel. Wer den Lehrgang bei einem Anbieter ohne solches Logo macht, wird nicht zur Prüfung zugelassen.

Die Logovergabe an die Fortbildungsanbieter wäre von einer Akkreditierung abhängig zu machen, die nach dem Modell der gewerberechtlichen Gefahrenabwehr konstruiert werden könnte. Lehrgangsanbieter mit krimineller Vergangenheit beispielsweise würden ebenso von der Logovergabe ausgeschlossen wie solche, die mit vergleichender Werbung oder Hetzkampagnen ihre Mitbewerber verunglimpfen, und für beides gibt es praktische Beispiele. Wer, um es kurz zu machen, wegen bestimmter Delikte für gefahrgeneigte Gewerbetätigkeiten keine Zulassung mehr erhält, sollte auch nicht mehr im Dienste der Industrie- und Handelskammern tätig werden dürfen.

Ferner müßten die Lehrgänge der jeweiligen Anbieter selbst ein Zertifizierungsprogramm durchlaufen. Angemessene Lehrmethoden, faire Behandlung von Teilnehmern, ausreichend Zeit sowie materielle und personelle Ressourcen für einen angemessenen Lernerfolg und ein Qualitätsmanagementsystem des Anbieters nach ISO 9000 wären die Grundanforderungen.

Schließlich lügen manche Lehrgangsanbieter bei ihrer Prüfungserfolgsrate, daß mancher Politiker vor Freude im Dreieck springen würde. Um diesem Mißstand abzuhelfen, könnten die Kammern anbieterbezogene Prüfungserfolgsstatistiken führen, deren Offenlegung entweder durch den Anbietern selbst oder einfach durch die Industrie- und Handelskammer zur Pflicht gemacht wird. Wer diese Zahlen nicht bekanntgibt, verliert das Logo, und damit seine Teilnehmer.

Außerdem müßte die Logovergabe zeitbeschränkt sein, d.h. die Anbieter müßten sich regelmäßig re-zertifizieren müssen, zum Beispiel für jeden Lehrgang erneut. Zudem müßten die Kammern das Recht zu unangemeldeten Prüfungen haben, ganz so, wie die Krankenkassen Altersheime prüfen.

Die Liste der zertifizierten Lehrgangsanbieter würde von den Industrie- und Handelskammern im Netz bekanntgemacht und wäre den Teilnehmern schon vor der Anfrage an einen Anbieter zugänglich.

So einfach könnte es sein.

Gewiß wäre dies mit ein wenig Bürokratie verbunden, aber das wäre im Interesse der Beteiligten. Auch im Interesse der Kammern selbst, die derzeit anscheinend versuchen, nur durch immer heftigere Prüfungen den Wert ihrer Abschlüsse zu verbessern. Das aber gelingt ihnen nicht; vielmehr entstehen immer heftigere Fehler in den Prüfungen, was weder den Teilnehmern noch dem Ruf der Zertifikate nützt. Die derzeitige Lage scheint erkennen zu lassen, daß den Industrie- und Handelskammern ihre eigenen Produkte ziemlich egal sind. Dies läßt auf einen noch immer wohlgepflegten Behördentrott schließen, der indes einer Stelle, die die Interessen der Wirtschaft vertreten soll, schlecht zu Gesichte steht.

Wenn die Kammern weiterhin nicht handeln, könnte der Ruf der Kammerbetriebswirte bald so beschädigt sein, daß auch die, die in der Vergangenheit mit harter und ehrlicher Arbeit ihre Zeugnisse erworben haben, in der Wirtschaft belächelt werden. Dies würde wiederum zeigen, daß auf staatliche Stellen aller Art in Deutschland wenig Verlaß ist. Um freilich diese Erfahrung zu machen, muß man nicht erst eine IHK-Prüfung absolvieren. Das geht anderswo schneller und billiger.

Links zum Thema: Bestehensquoten in IHK-Prüfungen: Nepper, Schlepper, Bauernfänger... | Industrie- und Handelskammer: Marketing ist nicht alles... (interne Links)

[Update 19.09.2008]: Zu diesem Artikel gibt es inzwischen eine umfangreiche Diskussion...


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