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Hinweise zur Einsichtnahme in Prüfungen

Nach einer Prüfung folgt oft der große Katzenjammer – manchmal gleich nach dem Prüfungsende, spätestens jedoch nach der Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse. Diese kann man zwar in einem Einspruch anfechten, doch der erste Schritt ist normalerweise die Einsichtnahme in das von den Prüfern korrigierte Exemplar. Wir geben Hinweise, wie man sich darauf vorbereiten sollte.

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Keine generellen Regeln

Für die Einsichtnahme in korrigierte Prüfungen gibt es keine allgemeingültigen Rechtsvorschriften, aber die Einsicht wird nahezu von allen prüfenden Körperschaften gewährt. Gleichwohl ist es sinnvoll zu prüfen, ob die jeweilige Organisation Richtlinien für solche Einsichtnahmen herausgegeben hat. Von einigen Industrie- und Handelskammern sind diesbezügliche Merkblätter bekannt, andere handhaben das eher informell. Stets ist aber mit den jeweiligen Dienstzeiten des Ausschusses zu rechnen - was bisweilen bedeutet, daß der Prüfungsteilnehmer sich Urlaub für die Prüfungseinsicht nehmen muß.

Kostenlos, aber nicht umsonst

Die Einsichtnahme in Prüfungen sollte, ebenso wie ein Einspruch gegen das Ergebnis, kostenlos sein; meines Wissens besteht hierüber aber keine zwingende Rechtsvorschrift. Es kann also Sinn machen, sich vorher nach möglichen Gebühren zu erkundigen. Die mir bekannten prüfenden Körperschaften (mehrere Industrie- und Handelskammern, diverse private Bildungsinstitutionen und eine Berufsakademie) verlangen alle keine Gebühren für Prüfungseinsichten oder die Bearbeitung von Einsprüchen. Falls das irgendwo anders ist, wäre eine diesbezügliche Information willkommen.

Vorbereitung und Durchführung der Einsichtnahme

Nahezu immer findet die Einsichtnahme unter Aufsicht statt. Das hat den Zweck, spätere Eingriffe in die Prüfung zu verhindern. Meist ist die Zeit auf 30 oder 45 Minuten beschränkt. Fotokopien der Prüfung oder der Prüfernotizen sind in aller Regel verboten, aber es lohnt nachzufragen, ob handschriftliche Notizen gefertigt (oder gar mobile Computer mitgebracht) werden dürfen. Das kann Sinn machen, wenn die Einsichtnahme der Vorbereitung eines Einspruches gegen das Prüfungsergebnis dient. Hierbei ist insbesondere wichtig vorher zu wissen, ob bei der Einsichtnahme auch die Musterlösungen oder Lösungsvorschläge vorgelegt werden. Dies kann bedeutsam sein, um mögliche Fehler in den Aufgaben bzw. den zugehörigen Lösungen zu finden. Wie haben an dieser Stelle ja schon vielfach auf kleinere oder auch größere Unrichtigkeiten in IHK-Prüfungen hingewiesen. Solche Sachverhalte müssen wenn irgend möglich während der Einsichtnahme im Detail, mit Zahlenwerten und Originalwortlaut dokumentiert werden.

Korrektur der Korrektur

Schon früher stellten wir dar, wie Prüfungen korrigiert werden. Natürlich sollten bei einer Einsichtnahme auch die Notizen und Benotungen der Prüfer einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Nachrechnen lohnt sich übrigens, denn auch Prüfer verrechnen sich bisweilen beim Addieren der Punkte! Auch sollte jede einzelne Teilbewertung transparent und ggfs. begründet sein. Daß der Zweitkorrektur wenig oder keine Notizen hinterlassen hat, ist übrigens kein Einspruchsgrund: es zeigt nur, daß er sich der Erstkorrektur angeschlossen hat.

Übrigens ist empfehlenswert sicherzustellen, daß die Prüfer wirklich alle Teile der Prüfungsarbeit gesehen haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit: ich habe selbst schon einen Fall erlebt, wo einem Erstprüfer eine Anlage schlicht entgangen war. Erst durch die nachträgliche Bewertung dieser Anlage hatte der Teilnehmer die Prüfung bestanden. Hätte ich die Seite auch übersehen, wäre es ein Durchfaller geworden. Sowas ist kein böser Wille: auch Prüfer sind Menschen. Die Zahl solcher Fehler sollte aber sehr klein sein. Das ist ja gerade der Zweck der doppelten Korrektur.

Einsichtnahme auch in Sekundärdokumente

Während bei Klausuren im eigentlichen Sinne (hoffentlich) die einzelnen erwarteten Teilleistungen auch mit Teilbepunktungen versehen sind, gibt es bei der Benotung von Diplom-, Studien- und Projektarbeiten in der Regel kein übergreifendes Schema. Die jeweiligen prüfenden Körperschaften sollten jedoch ein eigenes Bewertungsschema haben, das die bewerteten Sachverhalte (etwa formale, technische und inhaltliche Kriterien) und ihre Gewichtungen darstellt. Dieses Dokument sollte eingesehen und mit der Begutachtung der Arbeit verglichen werden. Ein guter Prüfer bewertet in nachvollziehbarer Weise innerhalb dieses Schemas und begründet alle Punktabschläge in einem Gutachten.

Nach der Einsichtnahme

Haben mehrere Teilnehmer in einem Kurs oder Lehrgang Einsicht in ihre Prüfungsexemplare genommen, so sollten sie sich über die Prüfungseinsicht austauschen. Das ist sinnvoll, um systematische Fehler zu finden, die in einem einzelnen Exemplar nicht auffallen. Solche Resultate können in einem u.U. gemeinschaftlich vorzutragenden Einspruch verwendet werden. Daß ein Prüfer generell "härter" korrigiert, ist aber kein Einspruchsgrund, sondern durch die Bewertungsfreiheit des Prüfers gedeckt. Nicht gedeckt wäre die Benachteiligung oder Bevorzugung einzelner Teilnehmer, die unmöglich ist, wenn die Prüfungsteilnehmer ihr Exemplar nur mit einer Nummer (und nicht mit ihrem Namen) markieren. Die Prüfer kennen bei der Korrektur die Namen hinter den Nummern nicht. Leider anonymisieren nicht alle prüfenden Körperschaften ihre Prüfungsteilnehmer.

Die "Verböserung"

Generell gilt im Verwaltungsrecht, daß bei einem Einspruch ein Verwaltungsakt insgesamt neu zu prüfen ist. Das gilt auch für Prüfungen (die ja unter den Verwaltungsaktbegriff fallen). Die erneute Korrektur wird i.d.R. von einem anderen Prüfer vorgenommen (ich hatte schon solche Fälle auf dem Tisch), der aber ganz neu bewertet. Dabei kann auch etwas "Neues" herauskommen, was in der Erst- und Zweitkorrektur übersehen wurde, aber auch nicht Gegenstand des Einspruches war. Im Klartext: auch wenn einem Einspruch stattgegeben wird ("Abhilfe" gewährt wird), ist noch immer Raum für böse Überraschungen an ganz anderer Stelle.

Ein Hinweis zum Schluß...

Es erreichen mich immer wieder eMails von Leuten, die Hilfe bei der Formulierung von Einsprüchen oder ähnliche Beratungsleistungen benötigen. Es liegt auf der Hand, daß mir dies nicht möglich ist. Rechtsberatung in jedweder Form ist mir als Betriebswirt (und also als Nebenfachjurist und Nicht-Anwalt) untersagt, aber nichts anderes wäre es, einen Einspruch für jemanden zu formulieren. Zudem wird darauf hingewiesen, daß ich also langjähriger Auftragnehmer der Industrie- und Handelskammer zwar versuchen kann, den Leuten mit dieser Webseite (und meinen sonstigen Publikationen) zu helfen, mich aber aus konkreten Auseinandersetzungen stets heraushalten muß. Alles andere wäre ein Verstoß gegen die Loyalität, die die Kammer als Auftraggeber ebenso von mir erwarten kann wie jeder andere Kooperationspartner.

[Update]: Inzwischen wurde aus dem Raum wolfsburg von einem Leser gemeldet, daß anläßlich eines Einspruches gegen Prüfungsergebnisse Gebühren i.H.v. 25 Euro pro Teilnehmer festgesetzt worden seien.

Links zum Thema: Hinweise zu Einsprüchen gegen Ergebnisse der Prüfungen vor den IHKen | Der Rotstift fleißig in Aktion: wie werden IHK-Prüfungen eigentlich korrigiert? | Anonymisierung von Prüfungen: Von der Namenlosigkeit des Opfers, oder dem Vertrauen in die Täter | Prüfungsausschüsse: kostenlos oder umsonst? | Durchgefallene Prüfungsteilnehmer: Feuer frei zum dritten Schuß! (interne Links)


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