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Microsoft »Zune«, oder die Angst vor dem Unausweichlichen

Der neue MP3-Player "Zune" von Microsoft, der Apples iPod Konkurrenz machen soll, erlaubt auch die drahtlose Übertragung direkt von Gerät zu Gerät. Solcherart weitergegebene Musikstücke werden jedoch in ein rabiates DRM-Gefängnis gesperrt: das Digital Restriction Management löscht die empfangenen Musikstücke spätestens nach drei Tagen oder nach drei Abspielvorgängen - sogar dann, wenn es sich um eigene Musik handelt, der Zune-Besitzer also auch Rechteinhaber ist. Dies verstößt nicht nur gegen die CreativeCommons-Lizenz; es hat vermutlich auch einen tieferen Grund.

Jedes Digital Restriction Management (DRM) System wird irgendwann geknackt, denn kein digitales Gefängnis ist sicher. Dann könnte der Zune Musiktitel, die drahtlos empfangen wurden, dann beliebig oft und zeitlich unbeschränkt wiedergeben. Dies wäre nicht nur eine Einladung zu Urheberrechtsverstößen, sondern es enthält ein gänzlich neuartiges Potential. "Zune" ist damit nicht nur irgendein neues Produkt, sondern ein kulturelles Paradigma:

Der Zune sucht in seiner Umgebung nach anderen Geräten, und wenn der neue Player sich erstmal verbreitet hat, könnten in Gaststätten, Schulen oder auf öffentlichen Plätzen zu jeder Zeit viele empfangsbereite andere Geräte herumlungern. Diese bilden ein Ad-hoc-Netzwerk von Geräten, die sich gegenseitig mit Inhalten versorgen können. Die Dezentralität dieses Netzes aber macht Kontrollen und Verbote unmöglich - denn während bisher widerrechtliche Seiten wie die Bockwurst und ihre Nachfolger zentral abgeschaltet werden konnten, und dezentrale Tauschbörsen die Gefahr bieten, die IP-Nummer des Anbieters einer Datei ausfindig zu machen und den "Täter" mit entsprechenden unfreundlichen Schreiben zu versorgen, wäre dies bei einem vollkommen mobilen Funknetz ohne feste Zuordnung zwischen Geräte-ID und Nutzer unmöglich. Wir wundern uns also nicht, warum Microsoft so restriktiv mit seinem Rechtemanagement umgeht.

Doch das wäre erst der Anfang, der zumal nicht neu ist: Als DIRC ( Digital Inter Relay Communications) ist seit einigen Jahren ein Konzept bekannt, das nämlich genau so funktioniert: viele kleine Netzstationen senden jeweils nur im Nahbereich und verbinden sich ad-hoc nach Bedarf - jeder ist seines Nachbars Telekom. Ganz ohne zentrale Schaltstelle, und damit zum Schrecken der Urheberrechtler und Terrorfahnder, ganz ohne zentrale Kontrollmechanismen und praktisch unabhörbar. Es wundert also nicht, daß in einer Gesellschaft, die immer engmaschiger kontrolliert und gegängelt wird, dieses Konzept noch nicht so richtig Fuß gefaßt hat, denn das wäre wirklich staatsfrei. Und ein Paradies für Hardcore-Tauschbörsianer, die kaum noch mit ihrer Entdeckung rechnen müßten.

Hier aber offenbart sich ein kulturelles Paradigma unserer Zeit, das den Softwareherstellern wie Rechteinhabern nicht schmecken dürfte: die wachsende Vernetzung schafft langsam eine Art weltumspannenden virtuellen Super-Organismus in Gestalt permanenten Informationsaustausches und immer größerer Verfügbarkeit von immer mehr Daten. Bildung und Wissen hören auf, Privilegien der Besserverdiener zu sein. Diese Entwicklung aber nimmt auf Rechte und deren digitale Beschränkung, die bisher das Zwangsmittel zur Kommerzialisierung und Verknappung von Informationen waren. keine Rücksicht. Die Globalisierung, so könnte man sagen, frißt ihre Kinder. Sie nützt uns allen. Sie schafft neue Metatrends. Sie hat eine Eigendynamik entwickelt, die etwas wirklich historisch bisher Einzigartiges schafft: daß alle Menschen Teil eines weltweiten geistigen Ganzen sind. Wikipedia und der Goldesel sind da erst der Anfang, und die Arknova war ihrer Zeit um einige Jahre voraus.

"You can fool all the people some of the time, you can fool some people all of the time, but you can't fool all the people all of the time" soll Abraham Lincoln gesagt haben. Wie Recht er hat: auch das aggressivste Rechtemanagement kann die Nutzer nur für eine beschränkte Zeit ihrer Freiheiten berauben. Überholte und der digitalen Sache nicht angemessene Strukturen wird es nicht aufrecht erhalten. Wie sehr wir uns auch dagegen stemmen, werden Informationen, sobald sie vom Datenträger getrennt durch Netze wandern können, sich unaufhaltsam verbreiten. Das sollten wir akzeptieren, und nicht versuchen, die Entwicklung aufzuhalten.

Links zum Thema: Die Rache der Bockwurst, oder von der Systemkrise der Softwareindustrie | Gesellschaftliche Metatrends: von der Analyse verborgener Entwicklungen zur mittelfristigen Prognose | Vom vielfachen Fortleben der Bockwurst | Neues Urheberrecht tritt in Kraft | TCPA: Auf dem Weg in die totale Kontrolle | TCPA: Eine Prognose des Scheiterns | Das Urheberrecht kriegt den zweiten Korb | Urheberrecht: wer zu heftig zuschlägt... | Die Buchhaltung unter Vormundschaft, oder von harten Sitten im Softwaregewerbe | Über die Krise der Softwareindustrie (interne Links)

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