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Fehler in IHK-Prüfungen: Die »2:1-Regel«

Nachdem wir uns gestern an dieser Stelle über einen beliebten Fehler in IHK-Prüfungen im Zusammenhang mit den kalkulatorischen Abschreibungen ausgelassen haben, verbreiten wir uns jetzt ein wenig über die sogenannte »2:1-Regel«, die man offenbar bei der Industrie- und Handelskammer gut kennt. Nur sonst nirgendwo. Aber der Reihe nach:

Die Eigenkapitalquote ist der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme, und schon an sich oft eine Prüfungsfalle, jedenfalls für all jene, die nicht genau wissen, was alles zum Eigenkapital zählt - was allerdings im Einzelfall auch schwierig sein kann. Aus einer verkürzten Bilanz mit vielleicht zehn oder zwölf Zahlen auf der Passivseite können aber die meisten Teilnehmer eine korrekte EK-Quote ausrechnen - und wähnen sich auf der sicheren Seite. Da aber irren sie sich...

Eine kürzlich allen Ernstes in einem Lösungsvorschlag gesichtete Prüfungsleistung ist nämlich, daß der Teilnehmer anmerken solle, 20% Eigenkapital seien zu wenig - es hätte ein Drittel sein sollen (die »2:1-Regel«). Besser, so hätte der Prüfungsteilnehmer pauschal und ohne Branchenbezug (!) schreiben sollen, wären 50% Eigenkapital. Mir wäre bei der Lektüre des Lösungsvorschlages beinahe der Rotstift aus den Händen gerutscht - und auch dies nicht zum ersten Mal, denn genau wie der gestern dargestellte Fehler ist auch dieser schon mehrfach in IHK-Prüfungen und ihren Musterlösungen gesichtet worden. Autsch!

Vergleichen wir mal, warum das falsch ist, indem wir uns Daten aus dem Jahresabschluß 2004 der Deutschen Bank (aus: DB Investor Relations) ansehen:

Eigenkapital25,9 Mrd. Euro
Fremdkapital (ohne Eventualverbindlichkeiten)814,1 Mrd. Euro
Bilanzsumme840,0 Mrd. Euro
Eigenkapitalquote3,083%

Und was sagt uns das? Richtig: Die Deutsche Bank fällt mit ihrer wahrlich insolvenzverdächtigen Unterbilanz durch sämtliche Prüfungen der Kämmerlinge ;-)

Die Eigenkapitalquote sagt, wie alle Vertikalkennziffern, für sich genommen gar nichts. Nur horizontale Kennziffern sind isoliert aussagekräftig - zum Beispiel die beiden Anlagedeckungsgrade, die sogar in derselben Prüfung berechnet werden müssen, aber der Aufgabenausschuß unterläßt es, eine Beziehung zur Eigenkapitalquote herzustellen. Dabei liegt diese auf der Hand:

Wer nämlich Anlagevermögen fordert, ist - nur! - der Kunde, und also der Markt. Das aber ist stark branchenabhängig: kann ein Handelsbetrieb seine Immobilien und Fahrzeuge meist mieten, müssen materiell fertigende Industriebetriebe aber beispielsweise auch Verkehrsunternehmen oft über erhebliches Anlagevermögen verfügen. Um aber die Anlagedeckung aufrecht zu erhalten, benötigen sie folglich auch mehr Eigenkapital. Banken sind in dieser Hierarchie ganz unten: machen sie viele kurzfristige Aktivgeschäfte (wie beispielsweise kurzfristige Kreditausreichungen auf Girokonten), genügen auch vergleichsweise geringe Eigenmittel. Erst die bald in Kraft tretende Zweite Eigenkapitalübereinkunft von Basel (Basel II) will hier feste Regeln schaffen: nämlich eine Eigenkapitalunterlegung von mindestens acht Prozent, also noch immer weit unter der »2:1-Regel« der Kämmerlinge.

Das scheint sich aber noch nicht bis zu den Aufgabenausschüssen herumgesprochen zu haben, obwohl ich auf diesen immer wieder vorkommenden Fehler mehrfach aufmerksam gemacht habe. Man kann oder will also nichts dazulernen - vielleicht, weil solche Fehler schon in den bekanntlich ebenfalls nicht immer optimalen IHK-Textbänden herumlungern. Schade: auch hier muß also für die Prüfung statt für das Leben gelernt werden. Nicht gerade ein Qualitätsfaktor!

Literatur: Zingel, Harry, "IFRS-Arbeitsbuch", Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 3-527-50208-4, "IFRS-Formelsammlung", Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 3-527-50223-8; beide auf der BWL-CD enthalten.

Links zum Thema: Fehler in IHK-Prüfungen: Das Ding mit der kalkulatorischen Abschreibung | Was sind eigentlich ABS-Transaktionen? | Basel II: Das Ende der Kreditversorgung? | Betriebswirt/IHK: Verbesserungsvorschlag Nr. 1: Die IHK-Textbände | IHK-Lehrgänge: Das Drama mit den Textbänden (interne Links) Deutsche Bank Investor Relations | Deutsche Bank, Finanzbericht 2004 (externe Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Bilanz", "Bilanzanalyse", "Eigenkapital", "eigenkapitalersetzende Darlehen", "Eigenkapitalrentabilität", "Finanzierung", "Kapital", "Kennzahlen". [Manuskripte]: "Eigenkapital.pdf", "IAS.pdf", "Finanzierung Skript.pdf", "Kennzahlenrechnung.pdf".
Diese Hinweise beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels aktuelle Version der BWL CD. Nicht alle Inhalte und nicht alle Stichworte sind in älteren Fassungen enthalten. Den tagesaktuellen Stand ersehen Sie aus dem Inhaltsverzeichnis oder dem thematischen Verzeichnis.


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