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Demokratie und Kriegsende, oder die Logik der Geschichte

Sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges läßt das Regime heute ein großes Demokratiefest feiern, aber vielen Menschen ist nicht zum Feiern zumute. Und das liegt nicht (nur) an Armut und Arbeitslosigkeit. Die häufige Erwähnung von Vokabeln wie "Freiheit" und "Demokratie" nährt den Verdacht, daß es gerade an Freiheit und Demokratie mangelt. Der BWL-Bote tut also, was das Regime geflissentlich unterläßt, er lernt aus der Geschichte. Und das auch noch öffentlich.

Natürlich ist es der Frieden wert gefeiert zu werden, aber Friedensfeste sind widerwärtig und verlogen, wenn sie von jenen veranstaltet werden, die sich selbst an Angriffskriegen beteiligen, zum Beispiel in Afghanistan. Auch der zur Zeit so oft gehörte Begriff von der Befreiung ist zweifelhaft, denn gewiß wurden wir von der schlimmsten Diktatur seit Menschengedenken und der schrecklichsten Kriegskatastrophe seit dem Dreißigjährigen Krieg befreit, aber dafür auch Millionen Menschen von ihrem Leben, und zwar nicht nur in den derzeit so oft erwähnten Konzentrationslagern, sondern auch hernach durch die Sieger. Millionen Vergewaltigungen,. Systematische Plünderungen und Brandschatzungen durch die Eroberer, Deindustrialisierung, Verlust der Ostgebiete vermutlich noch auf Jahrhunderte, Verlust der Souveränität - eine Befreiung stelle ich mir jedenfalls anders vor.

Und eigentlich ist selbst zweifelhaft, ob wir überwunden haben, wovon wir nach offizieller Lesart befreit wurden: gewiß wurden die Lager geschlossen, wenn auch oft erst nach vielen Jahren, aber schon ein Friedensvertrag fehlt: auch heute noch haben wir nur einen Waffenstillstand. Der Krieg dauert also - theoretisch - bis heute an. Aber die Herrschaft ist subtiler, nur dafür nicht weniger tödlich. Alleine durch das rein politisch motivierte Verbot des Pflanzenschutzmittels DDT Anfang der 70er Jahre und der nachfolgenden Wiederausbreitung der Malaria in vielen von dieser Krankheit zuvor befreiten Gebieten der Welt sind mehr Menschen an durch Insekten übertragenen Krankheiten zu Tode gekommen als durch den gesamten Zweiten Weltkrieg. Nur daß das nicht in Lagern oder auf Schlachtfeldern geschah, sondern fernab in afrikanischen Dörfern: strukturelle Gewalt hat die punktuelle Gewalt ersetzt, aber das ist nur ein oberflächlicher Unterschied. Obszön und pervers ist es auf jeden Fall. Der Faschismus hat dazugelernt. Wirklich überwunden wurde er nicht. Daß es seit jenem denkwürdigen 8. Mai 1945 keinen einzigen Tag (!) ohne mindestens einen Krieg irgendwo in der Welt gab, ist da kaum noch der Rede wert.

Es bringt uns aber zur gegenwärtigen deutschen Politik, die noch immer von Hitler getragen wird, 60 Jahre nach des Führers wohlverdientem Tod. Schröder selbst gibt zu, daß Adolf zu "unserem" (eigentlich: seinem) innersten Selbstverständnis gehört, äußerlich manifestiert durch ein monströses, überdimensioniertes und überflüssiges Holocaust-Mahnmal. Und verlogen dazu: Denn nicht nur die Juden verloren erst ihre Habe, dann ihre Würde und schließlich ihr Leben, sondern auch Homosexuelle, Zigeuner, Kommunisten und schließlich die Zivilbevölkerung millionenfach im Feuersturm. Denen gedenkt keiner, was darauf hindeutet, was wir heute wirklich feiern, nämlich nicht die Befreiung, auch nicht das Kriegsende, sondern unsere eigene Unterwerfung. Zum Beispiel unter die Finanzinteressen des modernen Judentums. Schließlich zahlen wir ja immer noch Milliardenbeträge an die gewiß noch zahlreich überall vorhandenen und in der Jewish Claims Conference organisierten ehemaligen KZ-Zwangsarbeiter, was in sich die wirkliche Entwürdigung ihres einstigen Leidens ist, denn es ließe den ketzerischen Schluß zu, daß die Bedingungen damals doch so schlecht nicht gewesen sein können, wenn 60 Jahre später noch so viele von denen am Leben sind, daß Deutschland so hohe Reparationen zahlen muß: so fördert eine Bundesregierung die Revisionisten und Holocaustleugner, die sie doch gerade mit einem schärferen Strafrecht bedacht hat. Natürlich darf man am höchsten Feiertag der Republik sowas nichtmal denken. Wir leugnen hier aber weder den Krieg noch die vom Naziregime begangenen Greueltaten, um einem möglicherweise erwünschten Mißverständnis vorzubeugen, sondern die demokratischen Qualitäten des gegenwärtigen Systems.

Nicht die eigene Befreiung sondern die eigene Unterwerfung zu feiern ist immerhin was Neues, eine kreative Weiterentwicklung deutschen Geistes, und das bringt uns zur Demokratiepropaganda, die heute aus allen Medien quillt. Geflissentlich verschweigt man uns nämlich, daß Berlin nur noch der verlängerte Arm Brüssels ist, wo Politik fern jeder demokratischen Kontrolle gemacht wird, ungestört von Volkes Wille, und schon deshalb gibt es heute eigentlich nichts zu feiern, und trotzdem geht den Herrschenden der Arsch auf Grundeis, denn sonst bräuchten sie nicht so einen massiven Medien-, d.h., Propagandaapparat. Irgendwie erinnert das geradezu fatal an die Verhältnisse im späten Absolutismus: Auch damals gab es viel zu hohe Steuern, auch damals gab es Arbeitslosigkeit, auch damals gab es Privilegierte. Nur hießen sie Adel und Klerus, nicht Beamtenschaft. Der gesellschaftliche Widerspruch aber war im Kern derselbe wie heute.

Dafür gibt es heute Brot und Spiele statt der Generalstände. Diese Vorform eines Parlamentes wurde nämlich zur Lösung der Krise von Ludwig XVI. im Jahre 1788 einberufen, der König von Frankreich hatte immerhin Aufrichtigkeit. Er redete mit dem Volk und wollte die Privilegien des Adels abbauen. Täte man das heute, müßten Volksabstimmungen herauskommen, die man dem Volk, das Hitler wählte, aber konsequent verweigert: über den Vertrag von Maastricht, über den Euro, über die EU-"Verfassung". Wie sollen aber die Deutschen über den EU-Vertrag abstimmen, da sie noch nichtmal eine eigene Verfassung haben, klipp und klar in Art. 146 GG nachzulesen für alle, die es wissen wollen?

Wir begegnen heute in Wirklichkeit dem Trauma des Abendlandes, nämlich dem absoluten Scheitern der gesellschaftlichen Neuordnung nach dem Ausgang des Mittelalters, einer seit ungefähr sechshundert Jahren offenen Frage. So hat die Amerikanische Revolution gleichsam funktioniert, sie kulminierte nämlich in den Grundrechten des Menschen, in life, liberty and the pursuit of happiness. Auch wenn man zu Zeiten von G.W. Bush nicht alles vom großen Bruder lernen sollte, dies wäre doch eine Lektion wert. Denn die kurz nach dem amerikanischen Vorbild ausbrechende Französische Revolution endete, wie alle ihre Nachahmer bis in jüngste Zeit, nicht in Leben, Freiheit und der Suche nach Glück, sondern in Blut, Krieg und Terror - Auschwitz als bislang höchste Vollendung der Revolution, das ist die schreckliche Wahrheit. Die Revolution hat fürchterlich versagt, und ihr entsetzlichster Nachahmer war der Gasmann aus Wien. Von dem befreit worden zu sein feiern wir heute, während die Franzosen ihren Napoleon schon glorifizieren. Und doch machte der Korse die gleichen Fehler wie der Österreicher, sogar den Versuch, Rußland im Winter zu überfallen. Die Deutschen sind nicht nur die Erbfeinde der Franzosen, trotz aller Klassenfahrten nach Frankreich, sondern auch ihr bester Schüler.

Revolutionen werden nicht geplant, so wenig wie Bankrotte, am besten daran zu sehen, daß noch im Herbst 1989 keiner einen Plan für die Deutsche Wiedervereinigung hatte, im Westen, wo seit Jahrzehnten von der Einheit geschwafelt wurde so wenig wie im Osten. Nein, Umstürze entstehen oft durch kleine, scheinbar unauffällige Ereignisse. In der DDR mag die Wahlfälschung der Kommunalwahlen im Mai 1989 dieser Auslöser gewesen sein, vor der französischen Revolution eine empörende Affäre um ein Diamantenhalsband für die Königin Marie Antoinette im Wert von 1,6 Millionen Livres zu einer Zeit, da das Volk hungerte. Auch heute könnte das Ancien Régime durch Kleinigkeiten gefährdet sein, zum Beispiel durch das 17-Liter-Auto des Jürgen Trittin oder die Flugaffären der Grünen, um nur einige Beispiele zu nennen. Pädophile Abgeordnete und Minister mit RAF-Vergangenheit werden da schon gar nicht mehr wahrgenommen. Die Marxisten hatten vielleicht nicht unrecht, daß gesellschaftliche Konflikte in Revolutionen aufbrechen, aber zu einer Höherentwicklung hat das zumindestens in Europa nicht geführt. Wir sind immer wieder auf den Stand des Absolutismus zurückgefallen, nur nennen wir das heute "Demokratie". Was mit der Boston Tea Party, durch die die Unabhängigkeit der Amerikanischen Kolonien von England erreicht wurde gewirkt hat, hat man in der alten Welt nie hingekriegt: die Lebensverhältnisse der Menschen durch das Abschütteln der Diktatur zu verbessern. Kurz life, liberty and the pursuit of happiness. Hier endeten gesellschaftliche Konflikte stets in Mordorgien, mit Auschwitz als bisherigem Rekord. Den Franzosen kann man zugutehalten, daß die dem KZ-System zugrundeliegenden industriellen Strukturen damals noch nicht bestanden, aber die Guillotine war ja immerhin ein guter Anfang, und sicher nicht zufällig von einem Arzt (!) erfunden.

Immerhin besteht Hoffnung, und vielleicht wird die Welt doch noch am Deutschen Wesen genesen. 1989/90 war nämlich die erste friedliche Revolution auf deutschem Boden, vielleicht die erste friedliche Revolution überhaupt seit der Römerzeit. Spontane gesellschaftliche Selbstorganisation gepaart mit Weltferne einer Führung, die bis zuletzt noch an die Rückkehr der alten Verhältnisse glaubte, bewirkten eine zumindest vorübergehende durchgreifende Besserung. Im Sommer 90 war Ostdeutschland wirklich demokratisch, das war die wirkliche DDR. Bis die Behörden kamen und die Unternehmensberater und Betrüger, und mit ihnen die große Ordnung. Weltfern ist das gegenwärtige Ancien Régime auch, weltfern bis zum Erbrechen. Derzeit können wir die Revolution noch an den Stammtischen planen und beim Ausfüllen von Hartz-IV-Formularen üben: Tolstoi sagte einst, die Deutschen lösten eine Bahnsteigkarte, wenn sie eine Revolution machten. Wie Recht er hatte. Bei 8,6 Millionen Arbeitslosen sollte der Leidensdruck schon ganz erheblich sein - und statt Diamantenhalsbändern zahlt das Regime heute Prämien für den Export von Arbeitsplätzen. "Warum essen Sie dann keinen Kuchen??" soll Marie Antoinette auf die Vorhaltung, daß das Volk kein Brot habe gesagt haben. "Warum gehen Sie dann nicht nach Rumänien??" wäre die moderne Entsprechung in Zeiten der Dienstleistungsrichtlinie. Das ist geradezu ein Funkenregen rund um das Pulverfaß. Daher sollten wir heute nicht feiern sondern beten. Beten, daß es diesmal nicht eine weitere Steigerung des Schreckens auf der nach oben offenen Richterskala der Kriegs- und Revolutionsgrausamkeiten gibt, denn selbst Adolf und Auschwitz waren vielleicht nur Stationen statt Endpunkte. Beten wir, daß der Jude Karl Heinrich Marx endlich doch noch Recht behält, nämlich mit seiner Behauptung, durch Revolutionen käme es zu einer gesellschaftlichen Höherentwicklung. Davon war bislang nämlich wenig zu sehen, sehr wenig. Selbst in der DDR, Gott hab sie selig, nur sehr vorübergehend.

Links zum Thema: Tractatus Oeco-Politicus | Volksverhetzung: Auf dem Weg in ein Gesinnungsstrafrecht? | EU-Osterweiterung: nichts zu feiern | EU-Verfassung: Das Volk wird ausgeschlossen | Deutschland noch immer ohne Verfassung: Kommentar zu Art. 146 GG | Zwischenruf: Jürgen Trittin und das 17-Liter-Auto | Wieder eine Flugaffäre, wieder die Grünen | Michael Jackson und Daniel Cohn-Bendit, oder von den Vorrechten der politischen Kaste | Schröder und die NPD, oder wie wirklichkeitsresistent eine Regierung sein kann | 8,6 Millionen Arbeitslose - schon vor Beginn der Energierationierung | Moskau ratifiziert Kyoto: Ein Ausblick | Deutschland, das Billiglohnland oder Europa und die Dienstleistungsfreiheit (interne Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "EU, Organe der", "EU, Tätigkeitsgebiete der", "EU, Ziele der", "EU-Recht", "Euro, Einführung des", "Euro, Konvergenzkriterien", "Schengener Abkommen", "Triade". [Manuskripte]: "EU Folien.pdf", "EU Skript.pdf", "Euro.pdf", "VWL Skript.pdf", "VWL Theoriegeschichte.pdf".
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