Im Gedenken an Harry Zingel (✟ 12. August 2009) ..... Alle Dokumente stehen ab sofort zum freien Download zur Verfügung (Redaktionsstand: letzte BWL CD 8/2009) .... Finanziert wird das Projekt via Google AdSense ... Achtung: Es erfolgt keine Aktualisierung der Inhalte ... Es besteht kein Recht auf Support in jeglicher Hinsicht ... Ich wünsche euch trotz alledem viel Erfolg mit der neuen alten BWL CD!!!

Der kostenlose Newsletter
der BWL CD
© Harry Zingel 2001-2009
BWL Mehr wissen,
mehr können,
mehr sein!
Startseite | Copyright | Rechtschreibung | Link mich! | Impressum | Blog

Losgrößen- und Bestellmengenplanung nach Wagner/Whitin

Im Forum für Betriebswirtschaft fragte jemand nach dem Losgrößenmodell von Wagner/Whitin und anderen quantitativen Verfahren der Material- und Produktionswirtschaft. Dies brachte die Anregung, diese Themen auf der BWL CD weiter zu vertiefen, und diesen Beitrag zu veröffentlichen.

Die schon 1958 von Wagner und Whitin entwickelte Methode, die sich für die Losgrößenoptimierung ebenso wie für die Bestellmengenrechnung eignet, geht nicht von einem Jahr, sondern von mehreren, aufeinanderfolgenden kürzeren Perioden wie etwa Wochen aus. Damit wird ein endlicher Zeithorizont angenommen. Was darauf folgt, bleibt ohne Beachtung. Die letzte betrachtete Periode wird als Horizont bezeichnet. Der Bedarf kann - im Unterschied zu Andler - von Periode zu Periode unterschiedlich sein. Kerngedanke ist, den kostengünstigsten Weg bis zum Horizont zu finden, wobei jede mögliche Kombination von Losgrößen betrachtet wird. Die günstigste Kombination wird dann gewählt.

Wie bei Andler müssen folgende Größen bekannt sein: Rüstkosten für die Auflage eines Loses, variable Herstellkosten pro Stück und ein konstanter Lagerkostensatz für die Kosten der Lagerhaltung, der als Material-Gemeinkostensatz aus der Kostenrechnung stammt. Dieser Zuschlagssatz bezieht sich hier aber auch die betrachtete Periode, also beispielsweise die Woche oder den Monat. Die Fragestellung ist dann, wie der Bedarf der einzelnen Wochen so zu Losen zusammengefaßt werden sollte, daß die Gesamtkostensumme über den Gesamtzeitraum minimal ist.

Wie die unterschiedlichen Wochenbedarfe zu Bestellungen gebündelt werden, hängt von den Daten ab: Sind die Lagerkosten hoch, wird nur das Wochenlos produziert. Sind dagegen die Rüstkosten hoch, wird möglichst viel zu einem Los gebündelt und dann gelagert. Zwischenstrategien, die nur einige Perioden bündeln, sind möglich und meist kostengünstiger.

Da es schwierig ist, alle möglichen Kombinationen aufzuführen, muß man die betrachteten möglichen Zeitpunkte der Auflage eines Loses (Fertigungszeitpunkte) in einem laufenden Planungshorizont, der die Losbündelung zum Ausdruck bringt, in einer Tabelle gegenüberstellen. In dieser Tabelle werden die jeweiligen alternativen Politiken, d.h. entweder die Perioden-Bedarfe als Wochenlose einzeln zu befriedigen oder zu Losen zu bündeln, aufgelistet und die kostengünstigste Alternative ausgewählt.

Periode1234
Bedarf80 St120 St100 St60 St
1120 €228 €408 €570 €
2 240 €330 €438 €
3  348 €402 €
4   450 €
Minima120 €228 €330 €402 €
Wir legen in unserem Beispiel zugrunde:

  • HK oder AK = 30 €/Stück
  • Rüstkosten = 120 €/Rüstvorgang
  • Lagerkosten L = 3% pro Woche (!), was also aus dem Material-Gemeinkostenzuschlag erst noch zu bestimmen wäre.

In der Tabelle werden die Zeitpunkte der Fertigung den Zeitpunkten des Planungshorizonts gegenübergestellt. Begonnen wird mit dem Fertigungszeitpunkt i = 1. Nacheinander können die Planungszeitpunkte j = 1, 2, 3, 4 durchgegangen und dafür alternative Lose zusammenstellen werden.

  • Wird nun der Planungszeitpunkt j = 1 betrachtet, so ist das Los für die Fertigung zum Zeitpunkt 1 gleich dem Bedarf in Periode 1, also gleich 80 Stück. Kosten fallen dafür als Rüstkosten von 120 € an.

Werden dagegen die Planungszeitpunkte j = 2, 3 oder 4 betrachtet, so beträgt das Los für den Fertigungszeitpunkt i = 1 die Summen der Bedarfe bis zum Planungszeitpunkt j, also 200 Stück, 300 Stück oder 360 Stück. Die Lagerkosten entstehen dann wie folgt:

  • Planungszeitpunkt j = 2: Die Menge von 120 wird eine Periode lang gelagert. Es entstehen Kosten wie folgt: Kges = 1 · 120 · Kvar · L = 108 €. Kges = 120 + 108 = 228 €.
  • Planungszeitpunkt j = 3: Die Menge von 100 wird zwei Perioden lang gelagert. Kosten dafür zusätzlich = 2 · 100 · Kvar · L = 180 €. Kges = 120 + 108 + 180 = 408 €.
  • Planungszeitpunkt j = 4: Die Menge von 60 wird drei Perioden lang gelagert. Kosten dafür zusätzlich = 3 · 60 · Kvar · L = 162 €. Kges = 120 + 108 + 180 + 162 = 570 €.

Diese vier Strategien stehen für Fertigungsaufträge zum Fertigungszeitpunkt i = 1 grundsätzlich zur Auswahl. Wird zusätzlich zu diesen vier Strategien in Fertigungszeitpunkt i = 2 ein Fertigungsauftrag erteilt, so hat dieser Auftrag auf der günstigsten Strategie der Vorgängerperiode zum Planungszeitpunkt i = 1 aufzusetzen, deren Kosten minimal sind und die mit Kmin(1) bezeichnet werden. Da für diesen Zeitpunkt nur eine Strategiealternative zur Verfügung steht, ist Kmin(1) = 120 €.

Im Fertigungszeitpunkt i = 2 sind wiederum alle Loskombinationen zur Zusammenfassung der Bedarfe durchzugehen: Bedarf für j = 2, also 120 Stück, für j = 2 und 3, also 220 Stück, für j = 2, 3 und 4, also 280 Stück. Für diese Bedarfe sind die Auflagekosten von 120 Stück und die jeweiligen Lagerkosten, sowie die Kosten für die beste Politik des vorhergehenden Fertigungszeitpunkt i = 1 zusammenzufassen:

  • Planungszeitpunkt j = 2: Die Menge von 120 wird produziert. Rüstkosten dafür = 120 €. Kges = Kmin(1) + 120 = 240 €.
  • Planungszeitpunkt j = 3: Die Menge von 100 wird eine Periode lang gelagert. Kosten dafür zusatzlich = 1 · 100 · Kvar · L = 90 €. Kges = Kmin(1) + 120 + 90 = 330 €.
  • Planungszeitpunkt j = 4: Die Menge von 60 wird zwei Perioden lang gelagert. Kosten dafür zusätzlich = 2 · 60 · Kvar · L = 108 €. Kges = Kmin(1) 120 + 90 + 108 = 438 €.

Es folgt die Ermittlung der übrigen, d.h. weiter zurückliegenden Perioden. In der Planungsperiode j = 2 betragen die Kosten der besten Politik 228 €. Dieses Kostenminimum weist auf den Fertigungszeitpunkt i = 1 hin. Die Kosten sind durch Zusammenfassung der Perioden 1 und 2 entstanden. Dies bedeutet, daß der Bedarf der Perioden 1 und 2 zu einem optimalen Los von 200 Stück zusammen zu fassen und dieses Los zum Zeitpunkt i = 1 zu fertigen ist.

Die beste, d.h. kostenminimale Politik zum Endzeitpunkt j = 4 ist die Alternative mit den Kosten 402 €. Diese verweist auf den Fertigungszeitpunkt i = 3. Die Kosten von 402 € entstehen durch die Zusammenfassung des Bedarfs der Periode 3 und 4 zu einem Los von 160 Stück. Damit ist die optimale Strategie für die Perioden 3 und 4 bereits gefunden.

Man kann das verallgemeinern: Man beschaffe oder produziere also stets in der Periode mit dem Minimum alle Mengen, die von dieser Periode an bis zu der Periode, in der abgelesen wird, benötigt werden, um sich insgesamt kostenminimal zu verhalten. Befindet sich das Minimum ganz unten, so beschaffe oder fertige man nur die Menge, die in der aktuellen Periode benötigt wird; ist das Minimum aber ganz oben in einer Spalte, so beschaffe oder fertige man alles sofort.

Auf der BWL CD steht ab Herstellungsdatum 4. Dezember ein Excel-Programm zur Verfügung, das diese Methode berechnet:

Wagner/Whitin-Algorithmus für Excel

Links zum Thema: Forum für Betriebswirtschaft | (interner Link)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Optimale Losgröße", "Los", "Losgröße". [Manuskripte]: "Produktion Skript.pdf". [Excel]: "Losgröße.xls", "Wagner-Whitin.xls".
Diese Hinweise beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels aktuelle Version der BWL CD. Nicht alle Inhalte und nicht alle Stichworte sind in älteren Fassungen enthalten. Den tagesaktuellen Stand ersehen Sie aus dem Inhaltsverzeichnis oder dem thematischen Verzeichnis.


© Harry Zingel 2001-2008
Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
Zurück zur Hauptseite: http://www.bwl-bote.de