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Betriebswirt/IHK: Verbesserungsvorschlag Nr. 2: Die Prüfungen

Nachdem der BWL-Bote vor einigen Tagen Vorschläge hinsichtlich der oft kritisierten Textbände der IHK gemacht hat, und sich einige Tage später über Kundenzufriedenheit und Qualitätsmanagement im Bildungsbetrieb ausgelassen hat, folgt in diesem Beitrag der zweite Vorschlag, diesmal zu den Prüfungen der Industrie- und Handelskammer. Der folgende Beitrag resultiert aus meinen langjährigen Erfahrungen mit solchen Prüfungen, insbesondere auch in diversen Prüfungsausschüssen, und gilt insbesondere für den Technischen Betriebswirt und den Betriebswirt/IHK. Daß die hier zusammengefaßten Gesichtspunkte auch für andere IHK-Prüfungen anwendbar sind, wird angenommen, ist aber ungewiß.

Formaler Prüfungsumfang

Viele Prüfungen bestehen aus drei Teilen: einer schriftlichen Prüfung, einer mündlichen Prüfung und einer Projektarbeit, die der Prüfungsteilnehmer anfertigen muß. Die hier vorzutragenden Vorschläge betreffen alle drei Prüfungsteile.

Inhaltlicher Prüfungsumfang

Allgemeiner Zweck einer Prüfung ist die Kontrolle, ob das Lehrgangsziel erreicht ist. Der Lehrgang, der mit einer Prüfung vor der IHK endet, soll auf einen bestimmten beruflichen Einsatz vorbereiten. Der Beruf, und damit die dort erforderliche Qualifikation, ist also Lehrgangsziel und Prüfungsinhalt. An anderer Stelle hat der BWL-Bote bereits dargelegt, daß die Lernziele des Lehrganges als Wissen, Können und Erkenne beschrieben werden können. Diese drei sind die Grundlage der Fachkompetenz. Nur Fachkompetenz kann auf traditionelle Art geprüft werden; Sozialkompetenz und Methodenkompetenz sind aber ebenfalls Voraussetzungen für beruflichen Erfolg.

Der grundsätzliche Vorschlag

Bislang werden in den meisten schriftlichen und mündlichen Prüfungen Fragen nach dem Wissen gestellt, während die Projektarbeit neben dem Wissen auch auf das Können, nämlich die Fähigkeit zur konkreten Anwendung von Wissen, abzielt. Das Erkennen wird praktisch gar nicht geprüft. Dieser Prüfungsumfang ist unzureichend. Es wird daher an dieser Stelle vorgeschlagen, die Prüfung auf das Erkennen auszudehnen. Dies führt indirekt dazu, daß auch eine Prüfung der Methodenkompetenz in gewissem Umfang möglich wird. Die Sozialkompetenz bleibt derzeit unprüfbar. Insgesamt kann nach der hier vertretenen Ansicht die Relevanz der Prüfung für die erwarteten oder schon vorhandenen beruflichen Erfordernisse erhöht und damit ihre vielfach gerügte "Weltferne" vermindert werden. Formal wird die Prüfung durch die nachfolgenden Vorschläge schwerer; subjektiv wird sich das möglicherweise aber nicht als "Erschwernis" auswirken, denn der Vorschlag soll das "Lernen für die Prüfung" zugunsten einer wirklichen Erweiterung beruflicher Kompetenz abbauen.

Die Auswendiglernfrage

Immer wieder werden allen Ernstes Fragen gestellt wie "was bedeutet die Abkürzung..." oder "wie heißt die Methode, mit der man ... kann". Solche Fragen, bzw. die bislang berechtigte Erwartung, daß solche Fragen gestellt werden, führen zu stupidem Auswendiglernen nur für die Prüfung und erhöhen nicht die Qualifikation des Prüfungsteilnehmers. Sie sollten künftig ganz unterbleiben.

Die exemplarische Methode

Diese besteht darin, ein Problem oder einen Lehrinhalt an einem Beispiel einzuführen und aus dem Beispiel heraus zu generalisieren, und kann auch in einer Prüfung angewandt werden. In manchen Prüfungen finden sich (mehr oder weniger) originelle Dokumente und Fallstudien, die diese Methode verkörpern. Darauf aufbauende Prüfungsfragen können reproduktiver Art sein ("nennen Sie alle am vorliegenden Akkreditiv Beteiligten!") oder schließend ("welche Fehler befinden sich im anliegenden Letter of Credit?"). Dieser Fragetyp ist generell besser und realitätsnäher und sollte daher ausgeweitet werden; zudem erlaubt er die Einführung englischsprachiger Dokumente.

Kreative und realitätsnahe Fragetechniken

In der betrieblichen Wirklichkeit sind die Probleme, die eine Führungskraft lösen muß, vernetzt und vielschichtig. Jede Änderung hat daher viele Auswirkungen, und unbeachtete Konsequenzen eines Handelns können unerwartete Resultate erbringen. Dies sollte die Prüfung abbilden - indem sie nämlich interdisziplinär und schöpferisch ist. Eine interdisziplinäre Prüfung schließt Komponenten anderer Fachgebiete ein - was etwa durch die immer größere Nähe zwischen Marketing und Qualitätsmanagement oder Qualitätsmanagement und Controlling relativ leicht und wirklichkeitsgetreu abzubilden ist. Eine traditionell wissensorientierte Prüfung kann so auf die Ebene des Erkennens gehoben werden und bis zu einem gewissen Grad eine Prüfung der Methodenkompetenz werden. Die berühmte BSC-Frage, die so heftige Diskussionen ausgelöst hat, hat dies in gewisser Weise versucht, war jedoch nicht ganz ideal gestellt und vor allem in den Textbänden praktisch nicht repräsentiert. Während also die fachliche Aufbereitung in diesem individuellen Fall und die generell schwache Vorbereitung auf diese Frage in den Textbänden gerügt wird, sind fachübergreifende Fragen doch generell wünschenswert und erhöhen die Qualität der Prüfung.

Erschwernis für den Mitschreiber

Es ist bewußt und bekannt, daß die im vorstehenden Absatz vorgeschlagene Fragestrategie das Bestehen für den "Mitschreiber" erschwert, d.h., wer nur auswendig lernt und Zusammenhänge nicht beachtet, fällt dann eher durch. Dies ist aber gewollt, denn in einer vernetzten vielschichtigen Welt kann man nicht durch auswendig gelernte Lehrsätze weiterkommen. Es wird die Ansicht vertreten, daß das "Mitschreiber-Problem" sich auch anderweitig manifestiert und eine konsequent neue Pädagogik erfordert. Selbstverständlich ist auch eine Reform der Unterrichtsmethoden und der Didaktik der Dozenten (oder gar der Dozenten selbst) erforderlich; hierzu werden in naher Zukunft eigene Vorschläge veröffentlicht werden.

Die Sendung mit der Maus

Die Toilette ist in den meisten Betrieben inzwischen der einzige Ort, wo etwas ohne Computer fließend erledigt wird, aber noch immer werden Prüfungen handschriftlich verfaßt und ein Teilnehmer kann sich "Betriebswirt/IHK" nennen, ohne je einer Maus die Tasten geschüttelt zu haben - ein eigentlich vollkommen archaischer Zustand, der dringender Änderung bedarf. Computer literacy sollte zu einem zentralen Paradigma der Prüfungen auch der IHK werden. Kurz: Der Computer soll in die Prüfung einbezogen werden.

Die elektronische Projektarbeit

Schon jetzt müssen in der Projektarbeit konkrete theoretische Modelle auf die betriebswirtschaftliche Praxis angewandt werden, d.h., die Projektarbeit ist schon immer viel praxisnäher als die schriftliche Prüfung. Sie sollte diesen Vorteil ausbauen, indem nicht mehr ein gebundenes Exemplar, sondern eine Datei als Ergebnis der Projektarbeit abgegeben werden soll - was nicht nur das formale Prozedere erleichtert (Einreichung per EMail!), sondern auch die Veröffentlichung im Netz ermöglicht, was die Projektarbeit - mit Zustimmung ihres Autors, versteht sich - späteren Teilnehmergenerationen schnell und unbürokratisch zugänglich macht, ein häufig an den Prüfungsausschuß herangetragenes Anliegen.

Neue Benotungsrichtlinien der Projektarbeit

Neben der traditionellen, auf den Inhalt abzielenden Benotung, die selbstverständlich beibehalten werden sollte, wird vorgeschlagen, auch formale Kriterien wie den Umgang mit dem Programm oder die Präsentation entsprechender Software in die Bewertung einzubeziehen. Probleme wie die schon früher dargestellten Schwächen im Umgang insbesondere mit Word würden dann schon durch einen entsprechenden Unterricht behoben - was die praktische Methodenkompetenz im beruflichen Alltag erhöhen sollte. Dies scheint besonders dringend, sind dem Autoren dieses Beitrages doch schon im 21. Jahrhundert "Ingenieure" über den Weg gelaufen, die sich im Dateisystem verirren und mit dem Taschenrechner vor Excel sitzen.

Neuer Nutzen für den Betrieb

Zudem würde eine solche neue Benotung die Erstellung betriebsspezifischer Software fördern, was ebenfalls wünschenswert ist: derzeit kann eine Projektarbeit nämlich erfolgreich bestehen, wer beispielsweise eine ABC-Analyse theoretisch erläutert und ggfs. einige Zahlen seines Betriebes präsentiert. Viel nützlicher wäre es jedoch, wenn die theoretische Abhandlung durch eine vom Teilnehmer zu erstellende Software verpflichtend zu unterstützen wäre: der Teilnehmer lernt dann so schöne Dinge wie Excel, Access oder gar VisualBASIC, und der Betrieb hat eine Lösung für ein konkretes Problem. Eine klassische win-win-Situation!

Die Open-Source-Prüfung

Unterstützt man die These, daß mittel- bis langfristig die Entwicklung weg von proprietärer Software und hin zu Open-Source-Systemen führt, dann könnte die hier vorgeschlagene elektronische Unterstützung des Prüfungsgeschehens die Betriebe durch die damit verbundene Erhöhung der Digitalkompetenz auf ihrem Weg weg vom Micro$oft-Monopol unterstützen. Wer etwa den "technischen Betriebswirt" erfolgreich abgeschlossen hat, würde dann bestimmte elektronische Grundkompetenzen mitbringen, deren Relevanz in Zukunft noch viel größer werden wird, so daß auch ein finanzieller Nutzen für den Betrieb entstehen würde.

Weitere Vorschläge

Die hier gemachten Vorschläge werden in den nächsten Tagen durch weitere Ideen insbesondere zur Unterrichtsgestaltung und zu den Dozenten ergänzt. Dies würde jedoch den vorliegenden Rahmen sprengen.

Links zum Thema

Forum für Betriebswirtschaft | Betriebswirt/IHK: Verbesserungsvorschlag Nr. 1: Die IHK-Textbände | Kundenzufriedenheit und Qualitätsmanagement im Bildungsbetrieb | Wie aus Lernen Erfolg gemacht wird | Prüfung Betriebswirt/IHK vom 11. Juni: Die BSC-Frage | Prüfungsstrategie: Warum der Mitschreiber durchfällt | Klick-klick oder die Didaktik des Dateisystems | Gravierende Schwächen in Studien- und Diplomarbeiten: wie man es nicht machen sollte (interne Links)


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