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Kreuzchen hier, Kreuzchen dort: Wie die Kammern IFRS prüfen

Den Industrie- und Handelskammern wird bisweilen nachgesagt, im Bereich der internationalen Rechnungslegung nicht wirklich kompetent zu sein. In der Tat ist mir keine Prüfung im Bereich "Geprüfter Betriebswirt" oder "Geprüfter Technischer Betriebswirt" bekannt, die die grundlegenden konzeptionellen Unterschiede wie die Komponentenaktivierung bei den Sachanlagen, die Teilgewinnrealisierung bei langfristiger Auftragsfertigung oder die Behandlung der immateriellen Vermögensgegenstände zum Thema macht. Das ist bedauerlich, denn wer sich in das IFRS-Regelwerk einarbeitet, sollte gerade solche Grundkonzepte als erstes verstehen. Dafür gibt es bestimmte andere IFRS-Themen, die hochgradig prüfungswichtig sind. Wer hier "Mut zur Lücke" beweist, begeht einen schweren Fehler.

So muß der Prüfungsteilnehmer stets darauf vorbereitet sein, mit einer "klassischen" Aufgabe zum Geltungsbereich der jeweiligen Regelwerke konfrontiert zu werden. Dozenten und Teilnehmer sollten also unbedingt darauf achten, sich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wer HGB- und wer IFRS-Anwender ist.

Eine andere beliebte Frage sind die Herstellungskosten. Hier sollen oft die Vorschriften des §255 Abs. 2 HGB, der R 6.3 EStR und des IFRS-Regelwerkes miteinander verglichen werden. Ein kleines Beispiel zeigt, wie das aussehen kann:

Aufgabe: Ein Maschinenbauunternehmen baut zur eigenen Verwendung eine technische Anlage. Sie werden beauftragt, über die Bilanzierung dem Grunde nach zu entscheiden. Stellen Sie für die folgenden im Zusammenhang mit der Herstellung dieser Anlage entstandenen Posten jeweils durch Ankreuzen fest, wie Sie im Handelsrecht, im deutschen Steuerrecht und in der IFRS-Rechnungslegung in den Herstellungskosten anzusetzen sind!

Man mag sich darüber wundern, daß hier allen Ernstes angekreuzt werden soll. Eine Ankreuzprüfung entspricht nicht unbedingt dem Niveau, das die Industrie- und Handelskammern mit wohlklingenden, gleichwohl aber umstrittenen Titelbezeichnungen ihren Fortbildungen beimessen wollen. Dennoch erfordert auch diese Aufgabe detaillierte Kenntnisse der jeweils zugrundeliegenden Vorschriften, sollte also nicht unterschätzt werden. Und so sieht die Lösung aus:

NrKosten- bzw. AufwandsartHGBDt. SteuerrechtIFRS
PflichtWahlRVerbotPflichtWahlRVerbotPflichtWahlRVerbot
1MaterialeinzelkostenXXX
2Fertigungsbezogene VerwaltungskostenX XX
3Allgemeine VerwaltungskostenX X X
4Speditionsrechnung RohstofflieferungX X X
5Zurechenbare FremdkapitalzinsenX X X
6Kosten für (eigene) KonstruktionX X X
7Kosten für behördliche ErlaubnisX X X
8Produktivlohnkosten der ProduktionX X X
9Lager-Gemeinkosten MateriallagerX X X
10Gemeinkosten im ProduktivbereichX X X
11Zurechenbare MaschinenkostenX X X
12Kosten der GrundlagenforschungX X X
13VerkäuferprovisionenX X X
14Verwaltungskosten im VertriebX X X
15Abschreibung notwendige SachanlagenX X X
16Freiwillige Sozialleistungen an ArbeitnehmerX X X

Der Teilnehmer muß hier die jeweiligen Vorschriften über Herstellungskosten im einzelnen kennen. Auswendiglernen ist wie immer die falsche Strategie, denn man weiß ja vorher nicht, nach welchen Details jeweils gefragt wird; vielmehr muß der Prüfungsteilnehmer die Grundkonzepte kennen, und in der Prüfung auf den konkreten Fall anwenden.

Die vorstehende Lösung bezieht bereits die Neuregelungen der Bilanzrechtsmodernisierung mit ein. In alten Prüfungen sind also im handelsrechtlichen Teil u.U. andere Antworten zu finden. Sie sind insofern veraltet.

Während man über die Methodik der Ankreuzprüfung streiten mag, ist das wenigstens eine prüferfreundliche Frage: wenn es für jedes richtige Kreuz sagen wir mal 0,5 Punkte gibt, dann ist eine eindeutige Beurteilung und schnelle Ergebnisfindung doch gesichert. So haben auch zweifelhafte Methoden ihre Vorteile. Daß diese Art der Prüfung doch eine hochgradige Naivität der Aufgabenautoren verrät, steht auf einem anderen Blatt: in Sachen IAS/IFRS hat die Kammer eindeutig Nachholbedarf.

Links zum Thema: Component Approach: So ähnlich sind die IFRS dem deutschen Steuerrecht | Percentage-of-Completion: Abrechnung von Bauaufträgen nach IAS 11 | Behandlung der immateriellen Vermögensgegenstände in den IFRS | Rechnungswesen: grundlegende Aufgabe über anwendbare Vorschriften | Bilanzrechtsmodernisierung: Gesamtübersicht über die Reformen | Umfangreiches IFRS-Skript | Skript zum hGB-Abschluß | BilMoG: die Neufassung der handelsrechtlichen Herstellungskosten (interne Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Herstellungskosten", "IAS", "IFRS". [Manuskripte]: "Buchführung Abschlüsse.pdf", "Herstellungskosten.pdf", "IAS.pdf".
Diese Hinweise beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels aktuelle Version der BWL CD. Nicht alle Inhalte und nicht alle Stichworte sind in älteren Fassungen enthalten. Den tagesaktuellen Stand ersehen Sie aus dem Inhaltsverzeichnis oder dem thematischen Verzeichnis.


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