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Spieltheorie: das große Nullsummenspiel, oder die Chance in der Krise

Schon vor einiger Zeit haben wir uns an dieser Stelle mit der Spieltheorie befaßt. Der damalige Artikel war taktisch ausgerichtet und zielte auf Klausur- und Prüfungsteilnehmer, die spieltheoretische Modelle formulieren können müssen. Heute denken wir wieder über Spieltheorie nach, diesmal aber unter eher strategischen Gesichtspunkten.

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Spieltheoretische Grundlagen

Als "Spiel" bezeichnet man eine Situation, in der mindestens zwei Personen in Zielausschluß oder Zielwiderspruch zueinander stehen. Zielwiderspruch ist die Situation, in der die Zielerreichung der einen Person die gleichzeitige Zielerreichung der anderen Person vermindert, und Zielausschluß heißt, daß wenn einer sein Ziel erreicht, der andere sein Ziel gar nicht erreichen kann. Die Theorie, die sich mit solchen in der Wirtschaft offensichtlich häufigen Situationen befaßt, ist die Spieltheorie.

Ein Nullsummenspiel ist eine Situation, in der ein Spielteilnehmer gewinnt, was ein anderer zuvor verliert. Die Summe der Ressourcen, um die Wettbewerb betrieben wird, ist also konstant. Der Ausgang des Spieles ändert nichts an dieser Gesamtsumme. Nur an der Verteilung des knappen Faktors. Diese Situation ist außerordentlich häufig.

Arten des Wachstums

Wachstum ist die Zunahme einer Größe. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene wird Wachstum meist als Zunahme des Bruttoinlandsproduktes, des Bruttosozialproduktes oder des Volkseinkommens verstanden. Während wir auf diese definitorischen Feinheiten in diesem Artikel nicht weiter eingehen wollen leuchtet doch ein, daß es das Wachstum gestattet, gesamtwirtschaftliche (und damit gesellschaftliche) Probleme wie Arbeitslosigkeit, Bildungsferne oder Armut zu lösen. Wachstum ist damit auch die positive Überschreitung der Nullsummensituation: eine insgesamt vorhandene Größe nimmt zu. Man kann gewinnen, ohne jemand anders vorher etwas wegnehmen zu müssen. Konkurrenz und Kampf nehmen ab, und doch wird etwas mehr.

Wachstum ist in der Vergangenheit auf zwei verschiedene Arten entstanden: durch Ausdehnung in die Breite und durch Ausdehnung in die Tiefe.

Ausdehnung in die Breite bedeutet, daß eine Volkswirtschaft sich in neue geographische Gebiete ausgebreitet und die dort vorhandenen Ressourcen erschlossen hat. Das geschah zu Zeiten des Imperialismus, indem fremde Völker erobert, ihre Schätze und Kulturgüter geraubt und ihre Arbeitskraft ausgebeutet wurde, und in der Hitler-Zeit, indem die Juden (und andere soziale Gruppen) vernichtet und ihre Güter ebenfalls geraubt wurden. Dies schuf in Berlin ebenso großen Reichtum wie fünfhundert Jahre zuvor in Spanien durch das Gold der Inkas. Beide Wachstumsstrategien unterscheiden sich daher voneinander nur in der Intensität und Schnelligkeit, mit der eine neue Ressource zugänglich gemacht wird. Zwischen dem Völkermord in der neuen Welt und dem Völkermord an den Juden besteht kein fundamentaler Unterschied, sondern nur ein gradueller.

Ausdehnung in die Tiefe bedeutet, daß mit vorhandenen Ressourcen besser umgegangen wird. Kennzahl ist meist die Steigerung der Produktivität, denn mit weniger Einsatzfaktoren mehr Ausbringungsgüter zu erzeugen, ist gleichermaßen eine Form der Erschließung neuer, bisher unzugänglicher Ressourcen. Während die geographische Ausdehnung bisher von Politik und Militär getragen wurde, ist die Ausdehnung in die Tiefe ein Phänomen der Wissenschaft, und ihres ausführenden Armes, der Industrie. Durch diese beiden wurden seit der Frühneuzeit vor ca. 500 Jahren immer mehr Naturgesetze nutzbar. Dadurch hat der Mensch sich nach und nach die Erde untertan gemacht, ganz so, wie es ihm in 1 Mose 1, 28 von Gott geboten ward. Technisches Indiz hierfür ist die beherrschte Energiedichte: mit Verbrennungsmotoren kommt man weiter als mit Segelschiffen, und mit Kernkraft kann man noch mehr bewegen als mit chemischer Energie.

Neue Märkte, neuer Wohlstand

Durch beide Formen der Ausdehnung entstehen neue Märkte und damit neuer Wohlstand: ob der Handel mit Gütern aus Kolonien (Ausdehnung in die Breite) oder die neue Internet-Ökonomie, die auf der Ausdehnung in die Tiefe beruht – in beiden Fällen finden Menschen Arbeit und Lebensinhalte, die vorher nicht möglich waren. In beiden Fällen wird der Kuchen größer.

Krise als Schrumpfung

Krise ist die negative Transzendierung der Nullsummen-Situation: die verfügbare Summe nimmt ab, man verliert ohne hinzuzugewinnen. Zu einer solchen Krise kommt es, wenn die Ausdehnung in die geographische Breite und in die wissenschaftliche Tiefe langsamer abläuft als das Wachstum der gesellschaftlichen Nachfrage. Ich postuliere, daß die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise im Grunde eben eine solche Wachstumskrise ist, denn die weltweite Nachfrage nimmt immer schneller zu, aber das Wachstum stockt immer mehr. Der Kuchen wird also insgesamt kleiner, aber die Esser wachsen an Zahl. Wir haben keine Überproduktionskrise, wir Marx es einst postulierte, sondern ein Problem mit künstlich herbeigeführter Unterproduktion.

Wachstum und Herrschaft

Wachstum ist mit Herrschaft verbunden. Wer wächst, muß immer neue Ressourcen beherrschen. Bisher waren dies meist fremde Völker oder Produktionsmittel und Produktivkräfte im eigenen Land. Herrschaft ist meist auf Ideologien gestützt. Der Wandel der Ideologien zeigt daher den Wandel der Herrschaftsmechanismen.

So waren imperialistische Herrschaftsmodelle, die auf Ausbeutung fremder Völker zielten, mit einer Überlegenheitsideologie verkoppelt: die Überlegenheit des weißen Mannes sollte Afrika unterjochen und die deutsche Herrenrasse die osteuropäischen Untermenschen. Beide Modelle waren, um es zeitgeistig auszudrücken, wenig "nachhaltig". Sie sind daher wohlverdient untergegangen. Wie aber sieht eine "nachhaltige" Herrschaftsideologie aus?

Während in früheren Epochen das zentrale Herrschaftsargument Überlegenheit war, ist es heute Unterlegenheit. Dem Menschen wird suggeriert, daß nicht der andere (der "Neger", der Jude) schlecht sei, sondern er selbst. Daraus wird abgeleitet, daß die Zahl der Menschen weltweit zu reduzieren sei. Hunger, Seuchen und Kriege werden daher latent positiv gesehen. Das wesentliche ideologische Instrument ist der sogenannte "Umweltschutz", durch den jedem ständig suggeriert wird, daß jede Lebensäußerung schlecht und damit das Leben insgesamt umweltschädlich sei. Dieses ideologische Muster erzeugt Dummheit, Angst und Armut als Mittel der Kontrolle und der Führung. Auf diese Weise konnte eine vergleichsweise kleine Elite seit ca. Anfang der 1970er Jahre ihre Herrschaft aufrecht erhalten und ausbauen. Dies scheint nunmehr mit der Finanzkrise zu Ende zu gehen.

Neue Herrschaftsmechanismen

Durch stets zunehmende virtuelle Werte schien neben der Ausdehnung in die Breite und der in die Tiefe eine neue Form des Wachstums geschaffen zu sein. Diese war aber zutiefst mit den "traditionellen" Formen der wirtschaftlichen Expansion verknüpft, denn Warenterminkontrakte und Klimaderivate sind nur finanzielle Formen realwirtschaftlicher Expansion. Leider lagen zuletzt den ausufernden Finanzwerten kaum noch reale Güter zugrunde. Kein Wunder, daß das Kartenhaus derzeit einstürzt. Das Platzen der Finanzblasen, das wir derzeit erleben, ist also in Wirklichkeit ein Einsturz traditioneller Herrschaftsmechanismen.

Regierung statt Herrschaft

Das bringt uns zum Ergebnis der vorliegenden Analyse: wir brauchen neue, "nachhaltige" Führungsmechanismen. Wir brauchen Regierung statt Herrschaft. Wir brauchen einen Diener des Volkes an der Spitze des Staates, und keinen Abzocker. Wir müssen den gesellschaftlichen Vertrag neu definieren. Das impliziert eine Umwertung des Bestehenden, also eine Revolution. Diese muß nach Ansicht des Autors in zwei Richtungen gehen: nach oben und nach innen.

Nach oben geht, was wirklich neue Territorien erschließt. Da auf der Erde kaum mehr neue Ressourcen zu erobern sind, also die Globalisierung auch ein globales Nullsummenspiel impliziert, müssen wir uns endlich der letzten aller Grenzen zuwenden, dem Weltraum. Die Kommunikationstechnik tut dies längst (ohne Raumfahrt und Satelliten kein Internet), aber im Weltraumtourismus und später in der Ausbeutung von Rohstoffen anderer Himmelskörper können ungeahnte Reichtümer entstehen. Und das ganz ohne die Ausbeutung von Menschen und ohne die Zerstörung der Natur, also "nachhaltig" im nicht-ideologischen Sinne des Wortes. Kein Wunder, daß die derzeit Herrschenden die Raumfahrt fürchten wie der Teufel das Weihwasser, denn Expansion bedeutet auch immer das entstehen neuer, herrschaftsfreier Räume und damit einen Kontroll- und Machtverlust für bestehende, grüne Eliten.

Nach innen muß eine Bildungsrevolution stattfinden, die aus den Deutschen wieder ein Volk der Dichter und Denker macht, denn der Weg, der uns im 1. Buch Mose gewiesen wurde, ist noch sehr lang. Und voller nützlicher Güter, die uns freilich nicht in den Schoß fallen. Wir müssen sie ernten, was mühsam ist. Doch auch das wird nicht wirklich gewünscht, denn gebildete Menschen sind freier und schwerer zu beherrschen. Sie stellen also, ebenso wie der technologische Fortschritt, eine Gefahr für die überkommenen grünen Herrscher aus dem vergangenen Jahrhundert dar. Die Spaßgesellschaft ist darum staatstragend und von oben gewollt.

Die Chance in der Krise

Die Finanzmarktkrise hat uns gezeigt, daß der bisherige Weg eine Sackgasse war. Wirtschaft pervertiert, wenn sie keine reale Basis mehr hat. Das müßten wir jetzt endlich gelernt haben. Die Wirtschaft muß also zurück auf den Weg des materiellen Wachstums gebracht werden, und der wichtigste Faktor, den wir dabei einsetzen können, ist der rationale, analysierende und optimierende Geist. Wir brauchen in einem Wort eine neue Aufklärung, die uns von der ökologistischen Romantik des vergangenen Jahrhunderts mit ihren Klimaschwindel-Mythen befreit. Wir brauchen nicht Dummheit, Angst und Armut als rückwärtsgewandte Herrschaftsmechanismen, sondern Wachstum, Expansion und den Weg zu neuen Ufern als neues Leitbild. Das ist die kommende Revolution, die die Dämonen der Technik-, Fortschritts- und Lebensangst vertreibt. Die Wirtschaftskrise enthält die Chance, das zu lernen. Jede Krise ist der Keim für etwas Neues. So gesehen enthält die gegenwärtige Situation auch eine Chance. Die freilich müssen wir nutzen. Und das ist derzeit noch nirgendwo zu erkennen.

Links zum Thema: Spieltheorie: wenn die Summe im Sattel sitzt... | Volkswirtschaftliche Grundlagen: das Schema der BSP-Berechnung | Zitatesammlung zum politischen Ökologismus | Wovor die Mächtigen sich wirklich fürchten | Gesellschaftliche Metatrends: von der Analyse verborgener Entwicklungen zur mittelfristigen Prognose | Wo es rückwärts vorwärts geht: über Produktivität, Knappheit und Herrschaft (interne Links)


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