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Cash Flow Rechnung: der Kammer-Hammer

In vielen Aufgaben zur Jahresabschlußanalyse spielt der Cash Flow eine Rolle. Manche Aufgabenautoren machen es sich dabei leicht, und es genügt, die Einstellungen in die Rückstellungen und die Abschreibung zum Jahresüberschuß zu addieren, um zum Cash Flow zu kommen. So war es zum Beispiel in Aufgabe 5 der IHK-Prüfung "Finanzierung und Investition" im Fortbildungsgang "Geprüfter Technischer Betriebswirt" vom 02.10.2008. Andere Aufgabenautoren nehmen aber auch die bekanntlich spitzfindigen Definitionen im Zahlungsbereich ernst. Dann kommen Aufgabenstellungen heraus, die manchem Prüfungsteilnehmer den ganzen Tag versauen. Schauen wir uns mal ein Beispiel von dieser Sorte an:

Ein kleineres produzierendes Unternehmen der bekanntlich weltweit geschätzten deutschen Maschinebaubranche publiziert zu einem Abschlußtermin die folgende Bilanz:

Bilanz der H.B. Nichts AG
Aktiva Vorjahr Berichtsjahr Passiva Vorjahr Berichtsjahr
Anlagevermögen 300.000 360.000 Grundkapital 150.000 150.000
Vorräte 150.000 100.000 RL für eigene Anteile 0 20.000
Eigene Anteile 0 20.000 Jahresüberschuß 40.000 80.000
Forderungen aus L&L 250.000 270.000 Langfr. Fremdkapital 360.000 370.000
Kasse, Bank 100.000 70.000 Kurzfr. Fremdkapital 250.000 200.000
  800.000 820.000   800.000 820.000

Für die gleichen Berichtszeiträume wird die folgende Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) festgestellt und im Unternehmensregister publiziert:

PositionVorjahrVorjahr
Umsatzerlöse1.400.0001.600.000
Bestandsminderungen Fertig- und Unfertigerzeugnisse20.0000
Bestandsmehrungen Fertig- und Unfertigerzeugnisse030.000
Aktivierte Eigenleistungen40.00050.000
Materialaufwand500.000550.000
Personalaufwand400.000460.000
Abschreibungen200.000210.000
Zinsaufwand40.00050.000
Sonstige betriebliche Aufwendungen230.000310.000
Steuern vom Einkommen und Ertrag (Pauschal 20%)10.00020.000
Jahresüberschuß40.00080.000

Die geleisteten Steuervorauszahlungen zur Ertragsteuer haben genau der Steuerfestsetzung entsprochen. Weitere Posten sind nicht zu berücksichtigen.

Es ist ratsam, die einzelnen Positionen zunächst zu betrachten und die Zusammenhänge zwischen GuV und Bilanz zu erfassen. Hat man mit den einzelnen bilanziellen Sachverhalten Frieden geschlossen, so ist eine Cash Flow Rechnung für das Berichtsjahr aufzustellen. Alle hierbei relevanten und aus dem vorstehenden Zahlenwerk ersichtlichen Einzelheiten sind zu berücksichtigen und entsprechend auszuweisen. Die Lösung muß nach der direkten und der indirekten Methode aufgestellt werden, und natürlich auf beiden Wegen zum gleichen Ergebnis kommen.

Wer hier Erfolg haben will muß genau wissen, welche Posten der GuV-Rechnung zahlungsgleich sind, und welche nicht. Die verinnerlichte Kenntnis der zugrundeliegenden Definitionen ist unerläßlich.

So weiß auch der Auswendiglerner, daß Abschreibungen und Einstellungen in Rückstellungen zahlungsungleich und daher nicht Cash Flow relevant sind. Einstellungen in Rückstellungen gibt es hier aber gar nicht, weil die Vorauszahlungen ja gemäß der gegebenen Information genau der Steuerfestsetzung entsprochen haben. Jetzt aber kommen die weiteren, zum Teil schon etwas entlegeneren Fälle zur Anwendung:

So muß der Prüfungsteilnehmer erkennen, daß Bestandsänderungen selbstverständlich stets zahlungsungleich und damit für die Cash Flow Rechnung relevant sind. Gleiches gilt für aktivierte Eigenleistungen: ihnen steht nie eine Zahlung gegenüber. Schließlich steigen in dem Zahlenwerk vom Vorjahr auf das Berichtsjahr die Forderungen: also liegen Umsatzerlöse vor, die nicht periodengleich zu einer Einzahlung geführt haben – was einem zahlungsungleichen Umsatz entspricht. Arghh!

Wer das verstanden hat, und es am Zahlenwerk nachvollziehen kann, darf die Cash Flow Rechnung aufstellen. Wir beginnen hier mit der indirekten Methode, denn die ist kürzer und möglicherweise leichter nachvollziehbar:

PostenBerichtsjahr
Jahresüberschuß80.000
+Zahlungsungleiche Aufwendungen
Abschreibungen210.000
Zahlungsungleiche Aufwendungen
Bestandserhöhungen Fertig- und Unfertigerzeugnisse30.000
Aktivierte Eigenleistungen50.000
Forderungsmehrung20.000
=Cash Flow (indirekt)190.000

Es ist bedeutsam, sich diese Lösung Schritt für Schritt durchzusehen. Es muß in jedem einzelnen Fall erkannt werden, daß die hier gegengerechneten Posten der GuV-Rechnung keinen Zahlungen entsprechen. Sie sind daher für den Cash Flow relevant. Im Ergebnis hat die Unternehmung im Berichtsjahr also 80.000 Euro Jahresüberschuß gemacht, aber 190.000 Euro zur Schuldentilgung, für Investitionen oder zur Ausschüttung an die Anteilseigner zur Verfügung gehabt – ein gerade im Produktionsgewerbe häufiges Bild.

Wie aber würde die direkte Cash Flow Rechnung aussehen? Hier ist "andersherum" zu rechnen, und es sollte bedacht werden, daß das schwieriger ist. Schauen wir mal, warum:

PostenBerichtsjahr
Umsatzerlöse (soweit zahlungsgleich)1.580.000
Materialaufwand550.000
Personalaufwand460.000
Zinsaufwand50.000
Sonstige betriebliche Aufwendungen310.000
Steuern vom Einkommen und Ertrag20.000
=Cash Flow (direkt)190.000

Hier ist bedeutsam, was in der Rechnung fehlt: die Abschreibungen sind ebenso wie alle Bestandsänderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen zahlungsungleich. Und der Umsatz wurde um die Forderungsmehrung korrigiert, denn die Forderungsmehrung ist gerade der zahlungsungleiche Anteil des Umsatzes.

Ja, das ist ein Kammer-Hammer. Die Prüfungspoeten wissen, wie schwierig das ist, und können mit solchen Fragen das Sieb schütteln. Es ist also stets ratsam, sich mit solchen Knallschoten rechtzeitig vor der Prüfung auseinanderzusetzen. Der Erfolg steht und fällt hier mit der verinnerlichten Kenntnis der zugrundeliegenden Definitionen. Wer die nicht drauf hat, oder meint, sich mit dem Kram nicht abgeben zu müssen, der fällt hier auf die Schnauze – und hat das auch verdient, denn man kann ein Haus nicht vom Dachstuhl anfangen zu bauen. So ist es auch mit Prüfungen: ohne die Grundlagen gibt es keinen schlußendlichen Erfolg. Zum Erfolg, wir wissen es, gibt es keinen Lift. Man muß immer die Treppe benutzen. Das hier sind einige der Stufen dieser Treppe...

Diese Sache hier hat übrigens neben ihrer unmittelbaren Prüfungswichtigkeit noch einen weiteren Nutzen an möglicherweise unerwarteter Stelle: in der Amortisationsrechnung haben wir immer wieder dargestellt, warum es falsch ist, undurchdachte Praktikerlösungen anzuwenden, bei denen Abschreibungen addiert werden oder ähnliche unsinnige Dinge zu tun sind. Die Amortisationsrechnung denkt in Rückflüssen. Rückflüsse sind Returns von Zahlungsmitteln, also zahlungsgleiche Posten. Diese Rechnung zeigt, wie schwierig es sein kann, da hin zu kommen. undurchdacht nachgemachte Lösungen wie "Gewinn plus Abschreibung" sind dabei nur eines: falsch.

Links zum Thema: Der Erbsenzähler am Werk: spitzfindige Definitionen im Zahlungsbereich | Amortisationsrechnung: wenn die Kröten springen... | Skript zur Cash Flow Rechnung | Casf Flow Rechner für Excel® | Formelsammlung | Skript zum Jahresabschluß nach HGB | Skript zur Rechnungslegung nach IAS/IFRS (interne Links)

Literatur: Zingel, Harry, "Bilanzanalyse nach HGB", Weinheim 2006, ISBN-13: 978-3-527-50251-6, Amazon.de | BOL | Buch.de. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten.

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Aufwand", "Ausgabe", "Auszahlung", "Cash Flow", "Einnahme", "Einzahlung", "Ertrag". [Manuskripte]: "Buchführung Abschlüsse.pdf", "Cash Flow.pdf", "IAS.pdf". [Excel]: "Cash Flow.xls", "Jahreabschlußanalyse.xls".
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