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Jahresabschluß in Zeiten der Finanzkrise: ein Stichtag wie kein zweiter

Das Jahresende naht, und mit ihm der Jahresabschluß für viele Unternehmen, deren Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Da überlegen die Buchhalter, welche vorbereitenden Jahresabschlußarbeiten erforderlich sind. In Zeiten der Finanzmarktkrise ist nur eines gewiß: dieser Abschluß wird wie keiner je zuvor. Dieser kleine Artikel betrachtet die besonderen Probleme der vorbereitenden Jahresabschlußbuchungen, die sich aus der Finanzkrise ergeben.

Wertberichtigungen bei Geldguthaben und Forderungen

Normalerweise müssen die Debitoren auf Werthaltigkeit geprüft und ggfs. wertberichtigt werden. Für große Forderungen ist hier i.d.R. die Einzelwertberichtigung das Instrument der Wahl und für Kleinkunden die Pauschalwertberichtigung. Normalerweise begrifft dies nur die Debitorenkonten; diesmal müssen aber auch Bankguthaben und immaterielle Vermögenswerte wertberichtigt werden.

Guthaben auf Konten bei deutschen Banken können i.d.R. zum Nominalwert angesetzt werden, wenn die jeweiligen Banken der deutschen Einlagensicherung unterliegen. Bei Guthaben auf ausländischen Banken muß der Buchhalter prüfen, ob hier eine Bürgschaft oder sonstige Garantie greift, und ggfs. eine Wertberichtigung buchen. Gleiches gilt für Einlagen bei deutschen Banken, die nicht durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds gesichert werden, wie z.B. Anlagen in Geldmarktfonds.

Bei der Einzelwertberichtigung der Forderungen können sich unerwartete Korrekturen ergeben, da in Zeiten da selbst große Industriebetriebe um staatliche Rettung nachsuchen eigentlich kein Schuldner mehr wirklich sicher ist. Der mit der EWB verbundene Arbeitsaufwand kann daher dieses Jahr viel größer sein als in den Vorjahren.

Wertberichtigungen bei Geschäfts- oder Firmenwerten

Die Abschreibung der Geschäfts- oder Firmenwerte ist ohnehin ein facettenreiches Problem. Dieses Jahr können aber außerordentliche Wertminderungen auftreten, und zwar sowohl im Konzernabschluß als auch nach Firmenübernahmen. Das kann mit dem Absturz des Börsenkurses einer Konzerntochter ebenso zusammenhängen wie mit dem Wertverlust derivativer Geschäfts- oder Firmenwerte, die sich nach einer Unternehmensübernahme ergeben haben. Da diesbezügliche Wertkorrekturen steuermindernde Wirkung haben, ist mit Diskussionen mit den Finanzbehörden zu rechnen. Die Begründungen für außerordentliche Abschreibungen sind daher besonders sorgfältig zu dokumentieren.

Implosion von Kreditsicherheiten

Darlehen können auch mit Vermögenswerten wie gewerblichen Schutzrechten oder selbsterstellter Software abgesichert werden, die nach derzeitigem Recht nicht bilanzierungsfähig sind (§248 Abs. 2 HGB und §5 Abs. 2 EStG) (geplante Änderung). Diese Objekte stellen stille Reserven dar. Sie hängen oft von der jeweiligen Geschäftslage ab, etwa bei der Verwertung von Patent- oder Markenrechten. Da die wirtschaftliche Lage sich derzeit rapide verschlechtert, kann auch die Bewertung solcher immaterieller Vermögenswerte geradezu implodieren. Dies bedeutet für den Kreditnehmer u.U. ein schlechteres Rating und damit schlechtere Kreditkonditionen oder, in drastischen Fällen, sogar eine Kündigung des Kredites. Die Wertprüfung solcher immaterieller Vermögensgegenstände führt also derzeit noch zu keiner bilanziellen Wertkorrektur, ist gleichwohl aber nicht folgenlos. Zudem kann hieraus eine Pflicht zur entsprechenden Risikoberichterstattung im Lagebericht erwachsen.

Aktien und andere Wertpapiere

Hier muß für den bevorstehenden Jahresabschluß besonders sorgfältig der Kurs überwacht werden. Handelsrechtlich dürfte bei Wertpapieren des Anlagevermögens aufgrund von §253 Abs. 2 Satz 3 HGB und bei Wertpapieren des Umlaufvermögens nach §253 Abs. 3 HGB eine Wertminderung erforderlich sein, die gleichwohl steuerlich nach §6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG unzulässig sein kann, weil sie auch zu Zeiten der Finanzmarktkrise vorübergehend ist. Die Bilanz 2008 wird also keine Einheitsbilanz. Hat die Unternehmung übrigens eigene Aktien bilanziert (§71 Abs. 1 AktG), so kann auch hier ein Wertminderungsbedarf bestehen!

Termin- und Optionsgeschäfte

Viele Unternehmen betreiben eigene Termin- oder Optionsgeschäfte, oft "nur" zur Absicherung gegen Kurs- oder Wertschwankungen bei Einsatzfaktoren. Diese Geschäfte zeichnen sich durch besonders hohe Volatilität aus, weil akzelerative Effekte schon bei kleinen Schwankungen der zugrundeliegenden Werte zu hohen Wertänderungen des jeweiligen Papiers führen. Solche Transaktionen sind offenbar besonders sorgfältig auf ihren Stichtagswert zu prüfen. Options- und andere Rechte sind nach dem Niederstwertprinzip auszuweisen, und Verpflichtungen nach dem Höchstwertprinzip. Bedenkt man, daß sich beispielsweise der Ölpreis in den letzten Monaten halbiert hat, so können bei entsprechenden Termingeschäften beträchtliche Wertkorrekturen zustandekommen.

Wertberichtigungen beim Umlaufvermögen

Der Wertverfall vieler Rohstoffe führt übrigens auch dazu, daß im Lager befindliche Umlaufvermögensgegenstände am Schluß des Jahres außerplanmäßig abzuschreiben sind. Dies trifft handelsrechtlich auch bei der Anwendung von Verfahren der Verbrauchsfolgebewertung zu (Verbrauchsfolgerechner für Excel), ist steuerrechtlich aber wiederum unzulässig, da Börsen- oder Marktpreise stets vorübergehend sind. Der sich hier ergebende Unterschied zwischen Steuer- und Handelsbilanz dürfte dieses Jahr aber besonders groß sein.

Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten

Rückstellungen sind nach Zeit und/oder Höhe ungewisse Schulden, und Eventualverbindlichkeiten sind dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeiten (Details). Besonders abgegebene Bürgschaftserklärungen sind derzeit auf eine mögliche Inanspruchnahme zu prüfen. Ein diesbezüglicher Risikoausweis im Lagebericht kann notwendig sein (§289 HGB). Die Finanzmarktkrise hat ferner viele Geschäfte anders als ursprünglich geplant verlaufen lassen. Dies kann zu Drohverlustrückstellungen führen, die gleichwohl steuerlich unzulässig sind (§5 Abs. 4a Satz 1 EStG). Auch hier ergeben sich als Unterschiede zwischen Steuer- und Handelsbilanz.

Die Zinsentwicklung

Während die EZB in der Zeit vom 01.12.2005 bis zum 09.07.2008 in insgesamt neun Schritten die Zinsen erhöht hat, ist das Zinsniveau seit der ersten Zinssenkung vom 15. Oktober dieses Jahres auf Talfahrt, und das geht wesentlich hektischer als der vorherige Anstieg. Dies kann eine niedrigere handelsrechtliche Bewertung von Pensionsrückstellungen bedeuten, denn man kann sich zwar an dem Zinssatz i.H.v. 6% aus §6a Abs. 3 Satz 3 EStG orientieren, muß dies aber nicht tun. Eine niedrigere Neufestsetzung in der Handelsbilanz kann angemessen sein und zu einer richtigeren Bilanzierung führen, insbesondere wenn man am Stichtag davon ausgehen muß, daß das Zinsniveau weiter verfällt.

Wechselkursprobleme

Während in IAS 21 klare Regeln zur Währungsumrechnung bestehen, hat das Handelsrecht noch keine eindeutigen Vorschriften. Diese sollen erst durch das BilMoG in das HGB geschrieben werden, vermutlich erst ab 2010. Dennoch ist die Fremdwährungsbewertung zum Stichtag 2008 ein facettenreiches Problem, weil viele Währungen starke Schwankungen durchmachen. Fremdwährungsforderungen sind generell niederstzubewerten und Fremdwährungsverbindlichkeiten höchstzubewerten. Die dabei notwendigen Wertkorrekturen können dieses Jahr aber besonders heftig ausfallen.

Ausweisprobleme im Lagebericht

Es liegt auf der Hand, daß die Finanzkrise besondere Risiken für eine Vielzahl von Unternehmen mit sich bringt. Diesbezügliche Berichtspflichten im Lagebericht ergeben sich aus §289 HGB. Dies kann insbesondere auch Ereignisse nach dem Bilanzstichtag betreffen (§289 Abs. 2 Nr. 1 HGB) und die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft (§289 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Die Risikoberichterstattung im Lagebericht dürfte aus offensichtlichen Gründen dieses Jahr besonders umfangreich ausfallen. Und sie wird auch bei der Abschlußprüfung ein besonders interessantes Thema sein, denn die Finanzkrise ist ja überhaupt erst zustandegekommen, indem Risiken unterbewertet wurden. Man muß also kein Prophet sein um vorherzusehen, daß das Risikomanagement jetzt im besonderen Mittelpunkt des Interesses der Buchprüfer stehen wird.

Ein Abschluß wie keiner je zuvor

Normalerweise besteht die Aufgabe des Buchhalters am Stichtag darin, die jeweils zum Ende des Geschäftsjahres zu erfassenden Werte entsprechend der Vorgaben der Geschäftsleitung im Rahmen steuer- und handelsrechtlicher Grenzen auszuweisen, also Bilanzpolitik zu betreiben. Die Erzielung von steuerlichen- und Ratingvorteilen steht ebenso im Vordergrund wie die Information der Geschäftsleitung, der Anteilseigner und ggfs. der Öffentlichkeit. Dies ist, in großen Teilen, eine Routineaufgabe, denn nach dem Abschluß, wir wissen es, ist vor dem Abschluß. Dieses Jahr ist alles anders.

In Zeiten der Finanzkrise kommt dem Buchhalter eine Warnfunktion zu. Platzende Aufträge, ungeplante Wertminderungen und implodierende Jahresüberschüsse können Kettenreaktionen aus Kreditkündigungen und Rating-Herabstufungen nach sich ziehen, die katastrophale Folgen für das Unternehmen haben können. Eine Überschuldung, und mit ihr eine Insolvenz, kann aus heiterem Himmel entstehen. Das muß der Buchhalter rechtzeitig erkennen, und die Geschäftsleitung warnen. Die Aufgabe des Buchhalters ist damit noch komplexer und noch anspruchsvoller als sie ohnehin schon ist.

Nur eines ist vorher schon gewiß: der Jahresabschluß 2008 wird wie keiner je zu vor.

Links zum Thema: Indirekte Abschreibung der Forderungen: Wie geht das eigentlich mit der EWB? | Indirekte Abschreibung der Forderungen: Was ist eine PWB? | Abschreibung der immateriellen Vermögensgegenstände: grundlegender Paradigmenwechsel in Handels- und Steuerrecht | BilMoG: Neuregelung der Bilanzierung der immateriellen Vermögensgegenstände | Termingeschäfte: die volkswirtschaftliche Zeitbombe | Optionsgeschäfte: was zum Teufel ist ein Stillhalter? | Verbrauchsfolgebewertung: So geht FIFO ganz leicht | Verbrauchsfolgerechner für Excel | Grunddefinitionen: der Ausweis der Verbindlichkeiten im HGB und in den IFRS | Grundlagen der Bilanzierung Was sind eigentlich »Ereignisse nach dem Bilanzstichtag«? | Skript zum Jahresabschluß nach HGB | Skript zur Rechnungslegung nach IAS/IFRS (interne Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Abschlußprüfung", "Abschreibungen, außerplanmäßige", "Bewertung", "Derivatgeschäfte", "Durchschnittsbewertung", "Einheitsbilanz", "Einzelwertberichtigung", "Eventualverbindlichkeit", "FIFO-Verfahren", "Firmenwert", "Forderungen, Bewertung von", "Höchstwertprinzip", "immaterielle Vermögensgegenstände", "Jahresabschlußarbeiten, buchhalterische", "Lagebericht", "LIFO-Verfahren", "Niederstwertprinzip", "Offenlegung" "Option", "Pauschalwertberichtigung", "Pensionsrückstellungen, Bilanzausweis von", "Risiko", "Risikoanalyse", "Risikoberichterstattung im Lagebericht", "Steuerbilanz", "Stille Reserven", "Termingeschäfte", "Verbrauchsfolgeverfahren", "Volatilität", "Währungsumrechnung", "Zinssatz, gesetzlicher". [Manuskripte]: "Buchführung Abschlüsse.pdf", "IAS.pdf", "Offenlegung.pdf". [Excel]: "AfA-Tabelle.xls", "Aktienrechner.xls", "Hauptabschluß.xls", "Eigenkapital.xls", "EWB.xls", "FIFO-LIFO Modellrechnung.xls", "Jubiläumsrückstellungen.xls", "PWB.xls", "Warenkonten.xls".
Diese Hinweise beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels aktuelle Version der BWL CD. Nicht alle Inhalte und nicht alle Stichworte sind in älteren Fassungen enthalten. Den tagesaktuellen Stand ersehen Sie aus dem Inhaltsverzeichnis oder dem thematischen Verzeichnis.


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