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QM im Einzelhandel: der Kunde an der kurzen Wertkette

Jahreszeitenbedingt verschlägt es mich derzeit öfters in einen weithin bekannten Baumarkt, denn im Garten gibt es immer etwas zu tun. Besonders im Frühling. Die Manager dieses Baumarktes täten gut, mal in ihrem eigenen Laden einzukaufen. Das würde sicher viele Anregungen für das Qualitätsmanagementsystem ergeben. Das nämlich hält den Kunden an der kurzen Wertkette:

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Schon an der Einfahrt zum Markt begegne ich dem ersten Problem, denn der Parkplatz mag für Trabis oder Smarts geeignet sein, ordentliche Autos mit Ladefläche für Gartenartikel passen aber nicht rein. Nicht mal Kleinwagen. Die blockieren sich in den Parkbuchten gegenseitig, und zwei Streithähne beschimpfen einander über einen soeben entstandenen Blechschaden. Das hält alle anderen auf. Zum Glück hat mein Auto eine Hupe.

Die Pflanzen, die ich brauche, kann ich nicht auf den Arm nehmen, aber um einen Einkaufswagen zu ergattern muß man wohl einen Antrag stellen. Jedenfalls dauert es Minuten, bis es mir endlich gelingt, einen Wagen mit großem Korb der recht zahlreich angestrengt wartenden Konkurrenz wegzuschnappen. Also auf ins Getümmel.

Der architekturpreisverdächtige Riesenmarkt hat einige Qualitäten eines Irrgartens. Jedenfalls brauche ich Minuten, den Gartenbereich zu finden und mich dorthin durchzukämpfen. Ein einziger der viel zu großen Einkaufswagen blockiert die viel zu engen Durchgänge. Alle paar Meter muß man wegen irgendwas warten. Ich fluche über Umwege und mitten im Weg plazierte Ware. Das machen die wohl mit Absicht, damit die Kunden länger bleiben. Hat immerhin Erfolg... Irgendwo geht es gar nicht mehr weiter, denn jemand hat einen Werbeaufsteller umgerissen. Zurück geht's auch nicht, zu viele andere sind hinter mir. Ich werde zum ersten mal laut.

Endlich im Außenbereich bei den Blumen. Die sind wenigstens noch nicht ausverkauft. Immerhin ist der ganze Streß also nicht umsonst. Ich lade meinen Einkaufswagen und mache mich auf den langen Weg zurück, diesmal gleich außen rum. Das ist zwar weiter, aber dafür ist es dort leerer und keine dieser belastenden Werbefernseher, die jeden anblubbern, der ihnen zu nahe kommt. Gegen die gibt es freilich ein Mittel, das ich jedoch erfolgreich zu Hause vergessen habe. Meine Nerven... wie ertragen das bloß die Mitarbeiter einen ganzen langen Einzelhandelsarbeitstag lang.

Endlich in der Nähe des Ausganges angekommen stelle ich mich in eine der chaotisch zwischen den Regalen beginnenden Kassenschlangen, ein einziges Geschiebe und Gedränge. Fürsorglich hat die Marktleitung die Heizungen auf Vollgas gestellt und während draußen in der warmen Frühlingssonne die Vöglein zwitschern sterbe ich fast den Heldentod. Zwanzig Minuten können endlos sein. Ich überlege, was der Unterschied zwischen einer Klapperschlange und einer Kassenschlange ist: richtig, bei der Klapperschlange ist das A***loch hinten. Nicht nett, gibt aber meine Stimmung perfekt wieder. Nur mit Mühe verbeiße ich mir wütende, nach vorne gebrüllte Anmerkungen, schließlich können die Mitarbeiter ja nichts dafür. Auch nicht dafür, daß von sieben oder acht Kassen nur zwei offen sind. Endlich vorne angekommen funktioniert der Laserscanner nicht, die Mitarbeiterin muß alle Nummern einzeln eintippen. Ach deshalb so lange. Dann fehlt irgendein Aufkleber auf meinen Blumentöpfen, die Telefonstunde beginnt. Natürlich ist im Büro keiner zu sprechen, die haben ja alle schon Feierabend. Es dauert bis jemand endlich die richtige Artikelnummer herausgekramt hat. Andere Kunden verlassen längst den Laden, ich warte. Hilfe, meine Nerven. Endlich die richtigen Preise, nur das EC-Terminal streikt. Drei Versuche, drei Belege, drei mal die (richtige) Geheimzahl. Nur keine Bestätigung. Mit den letzten Münzen bezahle ich in bar, hoffend daß die Buchung nicht doch drei Mal auf meinem Konto aufläuft. Na endlich.

Am Parkplatz denke ich natürlich an die große Rohrzange, die immer im Handschuhfach liegt. Nein, ich bin kein Sanitärinstallateur, aber die Pfandmünzen verrecken im Einkaufswagen. Man muß sie, wenn man den Wagen zurückgebracht hat, mit der Zange retten oder der Wagen hat einen Euro gekostet, und das sehe ich nicht ein. Endlich sitze ich wieder im Auto, die Klimaanlage kühlt meinen Haßschweiß. Schlüssel ins Schloß, auf die Kupplung, und – Stillstand: hinter mir der Einkaufswagen des Nachbarn, irgendwer anders parkt aus. Ich komme nicht raus. Wieder die Hupe, endlich auf dem Weg zur Ausfahrt. Dort der nächste Stau: der Riesen-Parkplatz hat nur eine einzige Ausfahrt und alle anderen kommen von rechts. Das dauert Minuten. Endlich wieder auf der Bundesstraße, haßerfüllt, klatschnaß vor Schweiß, was für ein Kampf. Manches kostet mehr als nur ein bißchen Geld. Jetzt weiß ich aber ganz genau, warum Männer nicht gerne einkaufen.

In Dienstleistungsgewerben, so weiß der kundige Qualitöter, gibt es eine kurze Wertkette. Kaum ein Fehler läßt sich vor dem Kunden verbergen. Visualisierungsmethoden wie das Blueprinting können Prozesse sichtbar und Fehler leichter auffindbar machen. Dabei genügt eigentlich der gesunde Menschenverstand, denn Qualität im Dienstleistungsbereich hat was damit zu tun, niemanden so zu behandeln wie man nicht selbst behandelt werden möchte. Die Erkenntnis aber fehlt den Marktleitern, und nicht nur in diesem Markt. Es ist nämlich in anderen Betrieben des stehenden Gewerbes der Einzelhandelsbranche nicht viel anders. Die schwadronieren oft von Qualität, aber das tatsächliche Einkaufserlebnis ist wie eine Aufforderung zum Amoklauf. Wenn es nicht gerade um Gartenpflanzen oder Flaschenkisten geht, kauft ansonsten meine Frau ein. Die hat mehr Geduld, bessere Nerven und mein Dank wird ihr ewig nachschleichen...

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