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Annahme von Zusatzaufträgen: mit einfachen Sachen Freude machen... | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kostentheoretische Details werden oft geringgeschätzt. Mit der Unterscheidung zwischen fixen und variablen, oder der zwischen Einzel- und Gemeinkosten, wird es oft nicht so eng gesehen. Das aber ist ein großer Fehler, in der bösen Wirklichkeit ebenso wie in der noch viel böseren Prüfung. Schauen wir uns mal ein Beispiel an: wenn die Kostenartentheorie zuschlägt...
Einer der drei Geschäftsbereiche ist verlustbringend. Soll er aber auch abgeschafft werden? Das aber ist im vorliegenden Beispiel von großer Bedeutung: sind nämlich 10% der Gemeinkosten variabel, bleiben also 90% der Gemeinkosten bei Abschaffung des verlustbringenden Bereiches C zurück (Kostenremanenz), so steht nach Abschaffung des verlustträchtigen Geschäftsbereiches C das Unternehmen nicht, wie vermutlich beabsichtigt, um 10.000 Euro besser, sondern um 67.400 Euro schlechter – denn Produkte haben keine Gewinne (oder Verluste), sondern nur Deckungsbeiträge. Aus 60.000 Euro Gewinn werden durch den Fehler der Abschaffung des Verlustbereiches also nicht 70.000 Euro Gewinn, sondern 7.400 Euro Verlust. Im Originalartikel von 2002 wird dies im einzelnen vorgerechnet, und das Lehrbeispiel gehört nicht ohne guten Grund zu meinen beliebtesten exemplarischen Einführungsbeispielen. Was aber bedeutet dies für die tägliche betriebliche Praxis – und für die Prüfung? Zum Erfolg gibt es keinen Lift. Man muß immer die Treppe benutzen. Das ist auch im vorliegenden Fall so: hier reicht es nämlich nicht, das zugrundeliegende Zahlenbeispiel nachvollziehen zu können, sondern man muß es auch auf andere Situationen übertragen können. Wissen und Könenn reichen nicht. Erst Erkennen bringt den finalen Prüfungserfolg.
Nicht mehr in der Aufgabe steht, daß die Material-, Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten stets Fixkosten sind, aber das ergibt sich aus der Sache: Materialgemeinkosten sind im wesentlichen Zinskosten und die Verwaltung hat nur indirekt mit dem Produkt zu tun. Die Vertriebsgemeinkosten sind zwar fix, aber die Verkäuferprovision ist natürlich eine Sondereinzelkostenart des Vertriebes – und als solche selbstverständlich in voller Höhe variabel. Dies muß der Prüfungsteilnehmer wissen. Der Kunde bietet 5.000 Euro für das fertige Produkt. Weitere Preisverhandlungen sind erfolglos verlaufen. Sollte der Auftrag zusätzlich zum schon bestehenden Auftragsbestand angenommen oder doch besser abgelehnt werden? Die Frage scheint auf den ersten Blick trivial zu sein und auf eine anscheinend simple Zuschlagskalkulation zu verweisen. Die meisten Prüfungsteilnehmer fertigen hier erstmal eine Rechnung nach dem folgenden Muster:
Das ist nämlich der Kerngedanke, auf den man kommen muß: so wie im einleitenden Beispiel ein Produkt durch seine Abschaffung den Deckungsbeitrag (und nicht etwa den Gewinn) verliert, so gewinnt es den Deckungsbeitrag (und nicht etwa einen ihm wie auch immer zugeordneten Gewinn), wenn man es macht. Im einleitenden Beispiel verliert man den DB i.H.v. 67.400 Euro, wenn man C streicht, aber gewinnt ihn, wenn man beispielsweise C statt der Streichung verdoppelt. So ist es auch hier: die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Zusatzauftrages ist bei freier Kapazität nur anhand der variablen Kosten und also des Deckungsbeitrages zu fällen. Variabel sind neben den Einzelkosten auch die jeweiligen variablen Anteile der Gemeinkosten. Man löst die Aufgabe also nicht, wenn man die Zuschlagssätze aus den einleitenden Daten zugrundelegt, aber man ermittelt auf diese Weise die Verkäuferprovision. Die ist als Sondereinzelkosten des Vertriebes (SEKV) ebenfalls variabel. Hat man die raus, so kann die eigentliche Rechnung folgen:
Eine Anomalie sind hier die Rüstkosten. Die sind eigentlich fix, aber auftragsfix. Sie müssen daher mitgerechnet werden, weil sie ja schon durch die reine Annahme des Auftrages anfallen. Der Deckungsbeitrag, der hier berechnet werden soll, ist also schon ein DB II i.S.d. mehrstufigen DB-Rechnung. Hat man solcherart die variablen (und Auftragsfixen) Kosten, so erhält man DB = Pvk – Kvar = 5.000 – 3.705 = 1.295 Euro. Durch die Annahme des Auftrages würde dieser als mit 1.295 Euro die Unternehmensfixkosten decken helfen. Eine Auftragsannahme sollte also bei freier Kapazität und in Abwesenheit einer Alternative empfohlen werden. So kann man mit einfachen Sachen auch Prüfungsteilnehmern Freude machen – oder eben auch nicht, denn nicht nur die Grundgedanken der Vollkostenrechnung müssen verstanden worden sein, sondern eben auch die Basiskonzepte der Teilkostenrechnung. Die scheinbar so einfache Kalkulationsaufgabe hat also verborgene Klippen. Wer da nicht aufläuft zeigt, daß er ein vertieftes Verständnis der Sache besitzt, und kassiert die Punkte. Links zum Thema: Warum nicht alles, was Verlust erwirtschaftet, auch abgeschafft werden sollte | Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt | Zuschlagskalkulation, Teil 1 von 4: Wie richtig zugeschlagen wird | Zuschlagskalkulation, Teil 2 von 4: Wenn der Kalkulator zuschlägt... | Zuschlagskalkulation, Teil 3 von 4: Erstens kommt es anders zweitens als man denkt | Zuschlagskalkulation, Teil 4 von 4: Es kann vorkommen, daß die Nachkommen... (interne Links) Literatur: Zingel, Harry, "Lehrbuch der Kosten- und Leistungsrechnung", Heppenheim 2004, ISBN 3-937473-05-X, Amazon.de | BOL | Buch.de. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten. Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Deckungsbeitrag", "Deckungsbeitragsrechnung, mehrstufige", "Einzelkosten", "Fixkosten", "Gemeinkosten", "Kalkulation", "Kosten", "Teilkostenrechnung", "variable Kosten", "Vollkostenrechnung". [Manuskripte]: "Lehrbuch der KLR.pdf". [Excel]: "Kalkulation Handel.xls", "Kalkulation Produktion Grundmodell.xls", "Kalkulation Produktion.xls", "Zusatzauftrag.xls". |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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