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Die Kuh im Klassenzimmer, oder von Fleiß, Disziplin und viel harter Arbeit

Aus der Zeit der sozialistischen Umerziehungsexperimente der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts stammt die Ideologie der hierarchiefreien Kommunikation und antiautoritären Erziehung. Auch wenn die Frankfurter Schule heute weitgehend und wohlverdient vergessen ist, so spuken ihre Spätfolgen und Altlasten doch noch immer in den Köpfen von Lehrern wie Lehrgangsteilnehmern herum. Und bisweilen erscheinen sie als Kuh im Klassenzimmer.

Das Lernen ist ein anstrengender Prozeß, und das Lehren ist es auch. Auf Seiten des Lehrers erfordert es jahrelange Vorbereitung und intensive Beherrschung des Lehrgegenstandes, was keine einfache Aufgabe ist, schon gar nicht in der Erwachsenenbildung. Da sitzt man nämlich oft Leuten mir langjähriger Erfahrung gegenüber. Denen noch was vermitteln zu können lernt man nicht nur auf der Universität, sondern auch im Leben. Theoretiker haben da wenig Chancen, und Staatsbedienstete nur, wenn sie Steuerrecht lehren.

Aber auch Lehrgangsteilnehmer müssen sich anstrengen, besonders die, die ein Diplom berufsbegleitend erwerben wollen. Da schlägt sich nämlich das Wochenende in den Opportunitätskosten nieder und die Freizeit findet zwischen Büchern und Bildschirmen statt. Was einen eisenharten Willen und viel Disziplin erfordert, und da wären wir beim Thema.

Die gleichmacherische Ideologie der herrschaftsfreien Erziehung wollte den Lehrer nämlich zum Kumpel des Lernenden machen, was auch impliziert, Verhaltensweisen und Schwächen zu teilen. Genau das aber ist falsch, denn Aufgabe des Lehrers ist gerade, Wissen, Können und Erkennen weiterzugeben. Die dazu erforderlichen Grundbedingungen sind Disziplin, Fleiß und harte Arbeit, und auch die Fähigkeit dazu muß der Dozent einfordern können und dürfen, wenn das notwendig ist. Also genau das, was an Wochenenden und wenn all die anderen in den Urlaub fahren, besonders schwer fällt. Nur ein Dozent, der selbst ebenso hart arbeitet, wie er es von anderen verlangt, kann den Weg zum Abschluß überzeugend vermitteln und mit Autorität einfordern, was zur Zielerreichung erforderlich ist, denn im Bildungsgewerbe gelten bekanntlich andere Qualitätsgrundsätze.

Genau hier aber stoßen wir auf die Reste der antiautoritären Ideologie, denn die meisten Dozenten beschränken sich noch heute auf die reine Stoffvermittlung und die meisten Lehrgangsteilnehmer zeigen sehr wenig Disziplin, selbst solche, die für den Lehrgang zahlen: permanentes Zuspätkommen, regelmäßiges Zufrühgehen, ständige Unruhe oder Nebentätigkeiten aller Art gelten als selbstverständliches Recht des Schülers und Kritik oder gar Zurechtweisung durch den Dozenten wird nicht geduldet. Nur im Unterricht gestrickt wird nicht mehr, die Zeiten sind vorbei. Daß man aber in der Pause zur Entleerung der Blase vortreten sollte ist eine Selbstverständlichkeit, die man heute wieder verbalisieren muß - wenn in der Lehrveranstaltung ein Kommen und Gehen herrscht wie in einer Straßenbahn.

So hat man als Dozent ständig Kühe vor sich, ohne gleichwohl im Stall zu unterrichten: Essen im Unterricht, oder Kaugummis endlos wiederzukäuen, gilt ebenfalls als selbstverständliches Recht des Lehrgangsteilnehmers. Wie man gleichzeitig essen und lernen kann, verschließt sich mir freilich. Es gibt wohl einen Grund, warum Lehrveranstaltungen gewöhnlich nicht in Kneipen stattfinden. Immerhin verschafft die langsam mahlende Gesichtsbewegung mit gelegentlichen Einblicken in die erste Phase des Verdauungsprozesses manchem einen unvergleichlich dummen Gesichtsausdruck, den er gleichwohl nicht verdient, wohl aber freiwillig gewählt hat.

Eine Kuh macht muh, aber viele Kühe machen Mühe, und so ist es auch hier: sie machen Mühe bei den Prüfungen, die ihnen nämlich zusehends schwerfallen, weil es zuvor an Disziplin mangelt. Pünktlichkeit, Fleiß und eine eisenharte Selbstkontrolle mögen Sekundärtugenden sein, aber ohne diese geht es nicht, auch nicht in Zeiten ohne Kopfnoten wie "Betragen" in Schulzeugnissen. Das ist die einfache Wahrheit, die man vor bald einem halben Jahrhundert vergessen hat und seither nur mit Mühe wieder lernt. Dies ist gewiß nicht der einzige Grund für Deutschlands Absturz in der internationalen Bildungskonkurrenz, aber gewiß einer: der einzige Weg zu den Symphonikern ist üben, üben und nochmals üben. Das gilt im übertragenen Sinne auch für die Betriebswirte, und zwar ganz besonders dann, wenn sie das erst in einer der immer schwerer werdenden Prüfungen wahrnehmen.

Links zum Thema: Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt | Kundenzufriedenheit und Qualitätsmanagement im Bildungsbetrieb | Eine neue Alleinstellungsstrategie bei den IHK-Prüfungen? | Handys, Quake und BMW: Erfahrungsbericht eines Dozenten (interne Links)

[Update 07.06.2007] Offensichtlich sorgt dieser Artikel an manchem Ort für Unruhe. Das ist beabsichtigt, denn er ist, wie sehr viele Artikel an dieser Stelle, als konstruktive Kritik gemeint. Er will Dinge verbessern. Ausdrücklich bezieht sich dieser Artikel nicht auf eine bestimmte Person oder eine bestimmte Lerngruppe, denn dann wäre er nicht von öffentlichem Interesse. Er ist nicht auf eine bestimmte Person gerichtet und stellt keinen individuellen Konflikt dar. Die hier (und schon früher) geschilderten Disziplinprobleme sind nach meiner Meinung ein generelles Problem, dem die Dozenten überall begegnen.

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