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Von den Folgen der Pseudomarktwirtschaft, oder was wir uns zum Fest schenken sollten

Der Spiegel und andere Medien berichten, daß RWE schon seit Jahren von gravierenden Mängeln bei den Hochspannungsmasten gewußt habe, die Instandsetzung jedoch ebenso bewußt auf Jahre hinaus verzögert habe - was, wie wir wissen, im Münsterland zu tagelangen großflächigen Stromausfällen geführt hat, weil nachdem ein paar Schneeflocken quer auf den Leitungen lagen, die Masten reihenweise umgeknickt sind. Wie aber konnte das passieren? Rächt sich jetzt eine verfehlte Pseudoliberalisierung im Energiemarkt?

So haben wir bekanntlich seit Jahren eine künstliche Trennung von Netz und Versorgung, was für den Kunden bedeutet, daß er, ohne eine einzige technische Änderung vornehmen zu lassen, den Energieanbieter wechseln kann - was freilich ein rein fiktiver Wechsel ist, denn selbst wenn ich, wie die Europäische Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich erlaubt, mir einen portugiesischen Anbieter nehme (weil dieser vielleicht um 0,02 Eurocent günstiger ist), kommt der Strom deshalb noch nicht aus portugiesischen Kraftwerken. Der Energieanbieter ist damit eigentlich nur eine Abrechnungsstelle - also ein Pseudo-Anbieter. Was aber hat dies mit umgeknickten Strommasten zu tun?

Eine ganze Menge: die gegenwärtige Situation ist nämlich nur eine pseudo-marktwirtschaftliche, denn selbst wenn man der Fiktion der Energiedurchleitung glaubt, besteht nach wie vor in jeder Region nur ein einziger Netzbetreiber (der von den Energieanbietern Durchleitungsgebühren kassiert). Ist also schon die Angebotsseite der Anbieter oligopolistisch, und damit einheitlich teuer, so haben wir es auf Seiten des Netzbetriebes mit einer monopolistischen Struktur zu tun - zusätzlich noch verzerrt durch das planwirtschaftliche Energiewirtschaftsrecht.

Dieses sieht nämlich keine freien Preise vor, sondern staatliche Festpreise - so daß die Netzmonopolisten kein Preisdiktat durchziehen können. Dafür aber sparen sie am Netzausbau wo immer wie sie können, denn was an Betriebskosten und Investitionen gekürzt wird, wirkt sich direkt erhöhend auf Gewinn und Cash Flow aus. Die Milliardengewinne von RWE und E.ON sind also nichts als materialisierte Reduzierungen an Betriebssicherheit und Leistungsfähigkeit der technischen Infrastruktur. Daß das nicht mehr lange so weitergeht, das sehen wir jetzt.

Marktwirtschaft ist eine gute Sache, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Wer aber eine halbe Marktwirtschaft versucht, in der die Kunden nur fiktiv wechseln können und die Versorgungsstruktur monopolistisch bleibt, der erlebt böse Überraschungen. Man müßte die komplette Netzstruktur polypolistische gestalten, um einen echten Wettbewerb zu ermöglichen: knicken die Masten eines Versorgers, müßte direkt auf einen anderen Dienst umgeschaltet werden, so wie ich zu einem anderen Bäcker gehen kann, wenn meiner keine Brötchen hat. Da man aber in der großtechnischen Infrastruktur nicht so viele parallele Versorgungssysteme errichten kann, ist die Energieversorgung ganz offensichtlich nach wie vor eine Aufgabe der staatlichen Fürsorge für die Menschen. Aus dieser Fürsorgeaufgabe hat sich der Staat aber nicht nur durch Pseudoliberalisierung sondern auch durch die "Klimaschutz"-Ideologie und die daraus folgende Zerstörung der technischen Versorgungssicherheit längst verabschiedet.

Seit einigen Wochen haben wir eine Bundeskanzlerin, die als Physikerin ausgebildet wurde, es also besser wissen müßte, aber immer noch keine Anzeichen einer grundsätzlichen Wende in der Energiepolitik. Wer also aus der Gegenwart lernen will um die Zukunft zu meistern, der sollte über einen Regimewechsel nachdenken, denn diesen haben wir erwartungsgemäß bei der Wahl verpaßt. Schließlich ändern Wahlen nichts, denn täten sie dies, wären sie längst verboten. Läßt sich aber 1989/90 nicht wiederholen, so wäre wenigstens der Kauf eines persönlichen Notstromaggregates zu erwägen, auch wenn ein solches für den weihnachtlichen Gabentisch entschieden zu groß ist. Noch sind solche Geräte nämlich ab Lager lieferbar. Das aber könnte sich ändern, wenn sich nämlich immer öfter wiederholt, wofür wir gerade im Münsterland die Generalprobe erlebt haben.

Links zum Thema: Schneechaos in Europa: die »globale Erwärmung« schlägt wieder zu | EU-Kommissarin warnt vor Energie-Engpässen ab 2007 | Ausnahmezustand: Deutschland wäre gut gerüstet | Wie der Emissionshandel den Strompreis in die Höhe treibt, und was man dagegen tun kann (interne Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Emissionshandel", "Energie", "EU, Organe der", "EU-Recht", "Ökosteuer", "Rationierung". [Manuskripte]: "EU Skript.pdf", "VWL Skript.pdf".
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