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Fehlerzusammenfassung zur Herbstprüfung »Geprüfter Technischer Betriebswirt«

Bekanntlich ist die Herbstprüfung »Geprüfter Technischer Betriebswirt« der Industrie- und Handelskammern im Oktober 2008 nicht optimal gelaufen. Neben dem völligen Desaster bei der Korrektur und Benotung der Aufgaben, haben die Aufgabenautoren aber auch eine Vielzahl von fachlichen Fehlern gemacht. Wir stellen diese hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammen. Prüfungsteilnehmer, die ihre Benotungen anfechten wollen, können sich auf dieses Dokument berufen. Nähere Erläuterungen zu den einzelnen Problemen sind jederzeit verfügbar.

Prüfungsbereich »Rechnungswesen«
Prüfungsdatum: 01.10.2008

AufgabeFehler, Problem, Anmerkung
2. a) 4. In dieser Aufgabe soll die Gesamtkapitalrentabilität aufgrund von vorgegebenen Bilanz- und GuV-Daten berechnet werden. In der Lösung werden im Zähler der Formel die Zinsaufwendungen zu dem Jahresüberschuß vor Steuern addiert. Warum das falsch ist, wird hier erläutert. Es entspricht allerdings einer verbreiteten Meinung; das alleine reicht also nicht für einen Einspruch.
2. c) In der Aufgabe soll die Eigenkapitalquote berechnet werden. Es fällt positiv auf, daß hier nicht mehr der früher sehr häufige Fehler gemacht wird, eine starre Quote als Antwort des Prüfungsteilnehmers zu fordern (»1:1-Regel«). Insofern haben die Aufgabenautoren dazugelernt, oder ist das eine einmalige Verbesserung?
5. a) Die in solchen Prüfungen anscheinend obligatorische Aufgabe zur Plankostenrechnung habe ich aus gutem Grund ganz besonders sorgfältig nachgerechnet. Der Lösungsvorschlag enthält zwei kleine Vorzeichenfehler.
Erstens: Verbrauchsabweichung = Sollkosten – Istkosten = 124.375 – 130.000 = –5.625 Euro. Der Lösungsvorschlag vertauscht die beiden Faktoren und kommt zu einem positiven Ergebnis.
Zweitens: Beschäftigungsabweichung = verrPlankostenIstbeschäftigung – Sollkosten = 129.375 – 124.375 = 5.000 Euro. Der offizielle Lösungsvorschlag vertauscht auch diese beiden Faktoren, und kommt zu einem betragsgleichen aber negativen Ergebnis.

Prüfungsbereich »Finanzierung und Investition«
Prüfungsdatum: 02.10.2008

AufgabeFehler, Problem, Anmerkung
1. a) In der Lösung wird die kalkulatorische Abschreibung auf den Anschaffungkostenwert der Anlage gerechnet. Ein Wiederbeschaffungswert fehlt. Warum diese Berechnungsmethode falsch ist, wird in diesem Artikel im einzelnen dargestellt. Dieser Fehler ist vermutlich der häufigste Kammerfehler und scheint schier unausrottbar.
1. d) In der Rentabilitätsrechnung wird wiederum ein Zinssatz addiert. Dies entspricht dem oben bereits dargestellten Fehler. Auch "Kosten ohne Zinsen" ist eine in diesem Zusammenhang unsinnige Größe. Der Gewinnbegriff wird nicht definiert. Daß das Betriebsergebnis (Leistungen minus Kosten) gemeint ist, geht aus der Aufgabe indirekt hervor; dann aber wäre ein Rentabilitätsmaß aus dem Betriebsergebnis geteilt durch dur – richtig berechnete! – durchschnittliche Kapitalbindung angemessen gewesen. Hier an den Zinsen herumzumanipulieren, ist vollkommen widersinnig und in dem Kontext unangemessen.
5. a) In der Aufgabe soll der 3. Liquiditätsgrad berechnet werden. Im Lösungsvorschlag heißt es, der Liquiditätsgrad III solle im allgemeinen "sogar 200% betragen". Das ist völliger Unfug. In der 3. Liquidität ist auch das Umlaufvermögen enthalten. Wie viel Umlaufvermögen ein Unternehmen braucht, ist nie starr festzulegen. Ein Bauhandwerker versucht, gar kein Material zu lagern, während ein Einzelhändler meist ein großes Warenlager braucht. Zu fordern, die 3. Liquidität solle "sogar" 200% betragen, ist aber auch deshalb falsch, weil dies impliziert, es müßte hier ein möglichst hoher Wert entstehen. Das zeugt von großer Unkenntnis, denn kein Kaufmann möchte totes Kapital im Lager führen. Die 3. Liquidität soll im Gegenteil stets möglichst gering sein, weil das tendenziell die Zinskosten senkt. Es könnte sein, daß diese krude Idee mit der mindesten Liquidität 3. Grades auch nicht auf dem Mist der Kämmerlinge gewanchsen ist, denn im Wikipedia-Artikel "Liquiditätsgrad" steht etwas ganz Ähnliches. Es ist bekannt, daß die Aufgabenautoren der Industrie- und Handelkammern bisweilen aus der Wikipedia abschreiben. Hier haben sie jedenfalls nicht wörtlich kopiert; falls das die Quelle für die fragwürdige Lösung sein sollte, haben sie allerdings Unsinn übernommen, denn in der Wikipedia gibt es keien Garantzie für Richtigkeit.
5. b) In der Aufgabe soll der Cash Flow eines Beispielunternehmens berechnet werden. Der Lösungsvorschlag besteht nur aus der Addition der AfA auf Sachanlagen und der Zuführung zu Pensionsrückstellungen zum Jahresüberschuß. Dies ist mindestens zweifelhaft, denn die zu der Aufgabe gehörende Bilanz enthält auch "sonstige Rückstellungen", die vermutlich Steuerrückstellugnen sind. Diese müssen im Berichtsjahr gebildet worden sein, denn die Steuern auf Einkommen und Ertrag werden bekanntlich jeweils für das Vorjahr abgerechnet. Mindestens die diesbezügliche Zuführung zu Steuerrückstellungen fehlt also in der Cash Flow Rechnung. Dies köntne kein "echter" Fehler sein, aber eine Unzulänglichkeit ist es jedenfalls.

Prüfungsbereich »Material-, Produktion- und Absatzwirtschaft«
Prüfungsdatum: 02.10.2008

AufgabeFehler, Problem, Anmerkung
7. In dieser Aufgabe geht es um eine Ablaufplanung. Ein Maschinenbelegungsplan mit vier Aufträgen wird vorgegeben, und dazu werden Fragen gestellt. Die Balken für die einzelnen Durchführungszeiten scheinen vom Aufgabenersteller farbig gemeint gewesen zu sein, wurden aber schwarzweiß reproduziert. Das hat damit zu tun, daß die Aufgaben nur noch elektronisch an die einzelnen Kammern übermittelt werden, dort aber meist keine Farbdrucker und Farbkopierer zur Verfügung stehen. Viele Teilnehmer konnten daher die einzelnen Elemente der Darstellung nicht richtig unterscheiden, weil sie zu ähnlich aussahen. Das ist kein Fehler der Aufgabe, sondern nur einer der Prüfungsdurchführung, der aber offenbar vorhersehbar gewesen ist.
7. Der gleiche Maschinenbelegungsplan enthält eine Verwechslung der Beschriftungen (unten, bei "Arbeitssystem 3", im offiziellen Lösungsvorschlag auf S. 9 und S. 10 zu sehen). Das stiftet noch mehr Verwirrung.

Prüfungsbereich »Aspekte der Allgemeinen Volks- und Betriebswirtschaftslehre«
Prüfungsdatum: 01.10.2008

AufgabeFehler, Problem, Anmerkung
4. b) In dieser Aufgabe soll der Prüfungsteilnehmer erläutern, wie sich die steigenden Importpreise auf drei Ziele des "magischen Vieleckes" auswirken können. Es gibt kein "magisches Vieleck". Gemeint ist anscheinend das "magische Viereck". Dieses ist in §1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967 (Stabilitätsgesetz) definiert. Von "Vieleck" statt "Viereck" zu sprechen, ist aber nicht nur ein Bagatellfehler, denn es kann u.a. zur Verwechslung mit den sieben Zielen des EU-Vertrages von Maastricht aus 1991/92 führen; dieses "Siebeneck" ist aber längst durch die neueren Versionen des EU-Vertrages von Amsterdam und Nizza überholt. Daß tatsächlich aber das Stabilitätsgesetz gemeint ist, geht aber aus dem offiziellen Lösungsvorschlag hervor: da ist nämlich von Wachstum, Preisniveaustabilität, hohem Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht die Rede – genau gerade die vier Ziele des §1 StabG. Vier Ziele, nicht viele Ziele!

Zusammenfassung und Wertung

Da ich mich seit Jahrzehnten täglich mit solchen Aufgaben auseinandersetze, bin ich hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades ganz gewiß betriebsblind. Diesen Aspekt werte ich daher nicht. Abgesehen von dem möglicherweise nur durch Gedankenlosigkeit entstandenen Problem mit dem schlecht lesbaren Maschinenbelegungsplan, wiederholen die Aufgabenautoren aber im Bereich des Rechnungswesens und der Investitions- und Finanzrechnung alte Fehler. Auf diese habe ich sie seit Jahren erfolglos hingewiesen, so daß ich auch hier nicht mit einer Besserung für die Zukunft rechne – obwohl die Industrie- und Handelskammern aus allen Teilen der Republik täglich recht zahlreich in der Server-Logdatei zu finden sind.

Viele Teilnehmer versuchen derzeit, ihre Prüfungsergebnisse anzufechten. Während ich einen Erfolg auf verwaltungsrechtlichem Wege prinzipiell für eine Lösung zweiter Klasse halte, hat die Kammer mit ihrer Praxis, die Ergebnisse dieser Prüfung aufzuwerten doch gezeigt, daß sie selbst hierbei ein schlechtes Gewissen hat. Die hier zusammengefaßten Fehler mögen für sich genommen ärgerlich sein, aber noch kein Grund, die Prüfung insgesamt zu verwerfen. Nimmt man die früher an gleicher Stelle schon dargestellten Probleme hinzu, insbesondere die krasse Ungleichbehandlung bei der Nachkorrektur, so könnte es meines Erachtens nach mindestens reichen, einigen Leuten bei der Industrie- und Handelskammer schlaflose Nächste zu bereiten. Beachtet man, daß die Kammern nichtmal Beschwerden über Korruption (!) ernst nehmen, wäre ein Wandel im Prüfungswesen der Industrie- und Handelskammern wünschenswert. Vielleicht wird das durch die Fehler, die insgesamt im Zusammenhang mit dieser Prüfung gemacht wurden, ein wenig beschleunigt.

Es bleibt ein übler Nachgeschmack: Qualitäts- und Krisenmanagement haben gleichermaßen versagt, und ein Marketing haben die Kämmerlinge nicht. Das schadet den Absolventen wie den Kandidaten. Die Kammer hat bewiesen, wie eine Behörde zu denken und zu handeln. Wie kann die Kammer dann aber ihre Teilnehmer auf erfolgreiches unternehmerisches Handeln vorbereiten?

Links zum Thema: TBW-Prüfung: Ungleichbehandlung durch die Industrie- und Handelskammern | Gesamtkapitalrentabilität: Warum falsche Methoden durch häufiges Nachmachen nicht richtiger werden | Geprüfter Technischer Betriebswirt: gravierende fachliche Fehler in Prüfung »Rechnungswesen« | Kostenrechnung: Rechenmethoden und Rechenfehler bei der kalkulatorischen Abschreibung | Die Kämmerlinge und die Wikipedia: unbelegte Quellen in IHK-Prüfungen! | »Auffällig geworden«: wie der DIHK auf Beschwerden reagiert | Gibt es Titelmühlen im Bereich nichtakademischer Fortbildungen? | Industrie- und Handelskammer: Marketing ist nicht alles... (interne Links) Wikipedia-Artikel »Liquiditätsgrad« (externer Link)


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