Im Gedenken an Harry Zingel (✟ 12. August 2009) ..... Alle Dokumente stehen ab sofort zum freien Download zur Verfügung (Redaktionsstand: letzte BWL CD 8/2009) .... Finanziert wird das Projekt via Google AdSense ... Achtung: Es erfolgt keine Aktualisierung der Inhalte ... Es besteht kein Recht auf Support in jeglicher Hinsicht ... Ich wünsche euch trotz alledem viel Erfolg mit der neuen alten BWL CD!!!

Der kostenlose Newsletter
der BWL CD
© Harry Zingel 2001-2009
BWL Mehr wissen,
mehr können,
mehr sein!
Startseite | Copyright | Rechtschreibung | Link mich! | Impressum | Blog

Gesundheitspolitik: weiterwursteln wie bisher

Große Koalitionen sind zwar zu großer Abzocke in der Lage, was schon unter Beweis gestellt wurde, aber nicht zu großen Reformen. Aus der angeblichen Jahrhundertreform des Gesundheitswesens wurde jedenfalls ein Reförmchen - und das Klassenziel der langfristigen Sicherung des Gesundheitswesens beiweitem verfehlt. Schauen wir mal nach, weshalb:

So muß man kein Prophet sein um festzustellen, daß das derzeitige, noch auf Bismarck zurückgehende kollektive Umlageverfahren, das Ärzten wie Patienten erlaubt, das System bei jeder Gelegenheit nach Belieben zu schröpfen, keine Zukunft hat. Rationierung, explodierende Kosten und schlechtere und weniger Leistungen sind die inzwischen für alle offensichtliche Folge. Dennoch hatte man nicht die Kraft, dieses System auch nur in Ansätzen in Frage zu stellen, sondern erhöht statt dessen zum Jahreswechsel einfach die Zwangsbeiträge. Wieder mal.

Auch das absurde Nebeneinander von gesetzlichen Zwangskassen und einem Privatversicherungssystem wurde anscheinend nicht in Frage gestellt, obwohl es durch nichts zu rechtfertigen ist, daß gerade die sogenannten "Besserverdiener" eine bessere Versorgung für weniger Geld erhalten als andere. Und von den Privilegien der Beamten wollen wir hier mal lieber gar nicht erst anfangen.

In jeder Planwirtschaft ist die ausufernde Bürokratie ein Problem, so auch im Gesundheitssozialismus. Aber anstatt die Finanzierung einfacher und wettbewerbsorientierter zu gestalten, was eine sofortige Abschaffung des Risikostrukturausgleiches bedeutet hätte, denn durch diese Umverteilung zwischen den Kassen hat keine Krankenversicherung einen Anreiz zu wirtschaftlichem Handeln, wurde ein Gesundheitsfonds geschaffen - eine neue Megabürokratie, die schon für sich die Kosten in die Höhe treibt, ohne irgendwas für die Kranken zu leisten. Gleiches gilt auch für die offenbar doch geplante Herausnahme privater Unfälle und Behandlungen aufgrund risikoreicher Aktivitäten wie Pierching oder bestimmte Sportarten. Das bewirkt nicht nur ein peinliches Fragespiel, wo und wie ein Patient zu einer Verletzung gekommen ist, sondern indirekt auch eine Überwachung der Versicherten bis in die Freizeit - und bedroht die ärztliche Schweigepflicht. Die ist aber schon jetzt nicht mehr viel wert.

Nicht besser ist es mit der Frage der Gesundheitssteuer, die angeblich nicht kommt. Was wir aber bezweifeln. Wenn schon jetzt Steuermitteln in diesen unsäglichen Gesundheitsfonds fließen sollen liegt nahe, daß eben doch bald ein Gesundheitssoli erhoben wird - wenn nämlich die Kosten weiter explodieren, was aber gewiß ist. Den Rentensoli haben wir ja schon, nur daß er "Ökosteuer" heißt. Besonders problematisch ist hier übrigens, daß die, die für die Rente (und für die Gesundheit) Steuern zahlen, aufgrund dessen keine Leistungen erhalten. Das ist zwar mit dem Steuerbegriff aus §3 Abs. 1 AO kompatibel, aber eben doch eine Ungerechtigkeit. Wie so oft im Sozialstaat.

Ohnehin ist die Frage der Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens der Gipfel des gegenwärtigen Reformwahnsinns, denn Steuerfinanzierung gibt es schon - in Gestalt des Bundeszuschusses aus der Tabaksteuer an die Krankenkassen. Kann man den Zusammenhang zwischen Rauchen und Gesundheit immerhin noch nachvollziehen, so soll dieser Zuschuß doch gekürzt werden - während gleichzeitig neue Steuerfinanzierungen eingeführt werden. Absurder und planloser geht es vermutlich nicht mehr.

1959 schrieb Charles Lindblom seinen berühmten Artikel von der Wissenschaft des Durchwurstelns ("The Science of Muddling Thru"), indem er vorhersagte, daß öffentliche Körperschaften aus Angst vor dem Wähler solange nur Minimalreförmchen vornehmen, bis das System insgesamt versteinert. Selten war eine Vorhersage über das Verhalten öffentlicher Institutionen so zutreffend: auch jetzt wursteln wir weiter wie bisher, auch jetzt versteinert das System wieder ein bißchen mehr. Eine große Koalition macht nicht große Reformen, sondern nur die große Abzocke. Sie schafft ein System, das nicht auf die Versorgung der Kranken, sondern die Beraubung der Gesunden gerichtet ist. Und das scheint im Schatten des Fußballwahns besonders leicht zu sein, denn da hat Michel seine Schlafmütze besonders tief ins Gesicht gezogen.

Links zum Thema: Spielverderber: warum die Deutschen endlich verlieren müssen, um doch noch zu siegen | Krankenversicherung: Deutsche Kassen zahlen für Eltern von Ausländern in deren Heimat | Gesundheit, Steuern, Abzocke: wie weit reicht Michels Geduld? | »Kontenklärung«: Über die rabiaten Werbemethoden der Rentenversicherung | Der konspirative Dozent: Wie die BfA Existenzen vernichtet (interne Links)

Literatur: Charles Lindblom, "The Science of Muddling Through", in: "Public Administration Review" 1959, pp. 79-80.

© Harry Zingel 2006; Erlgarten 8, 99091 Erfurt, Tel. 0172-3642082, 0361-2606029, Fax 0361-2118928


© Harry Zingel 2001-2008
Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
Zurück zur Hauptseite: http://www.bwl-bote.de